Textilterror

■ Zur Geschichte des Bundesligatrikots

PRESS-SCHLAG

Früher, als alles noch besser war, war es auch übersichtlicher. Da waren unsere die Blauen, die anderen die Roten. Problemlos konnte man die Mannschaften an ihren Trikots erkennen, die sie Jahr um Jahr in die Kampfbahnen der Bundesliga trugen. Mit der Show-Werdung des Fußballspiels und dem Triumph des Farbfernsehers verloren die Trikots ihre historische Kontinuität und unterwarfen sich Zug um Zug den modischen Trendwenden der Sportartikelhersteller. Damals noch interessiert begrüßt, nahm eine, wie wir heute wissen, fatale Entwicklung ihren Lauf.

Einer der großen Avantgardisten der Liga, der damalige „Generalmanager“ des HSV, Dr. Peter Krohn, wollte schon Mitte der 70er Jahre die Vereinsfarben aufgeben. An ihre Stelle sollten attraktive Farben der Saison treten, um vor allem modebewußte junge Frauen ins Stadion zu locken. Die Hamburger traten damals in blaßrosa Trikots mit Dackelohrkragen an, die allerdings von niemandem positiv aufgenommen wurden.

In dieser Gründerzeit des Trikot-Designs versuchte die Firma Hummel die Dominanz der Dassler-Produkte „adidas“ und „Puma“ zu brechen. Dazu trat das Unternehmen in Essen und Uerdingen mit einer Art Fischgrät-Trikot auf, das sich aber nicht durchsetzen konnte. Ebenfalls Mitte der 70er Jahre ließ der große englische Hersteller „Umbro“ Eintracht Frankfurt aussehen wie Leeds United. Aber dann war wieder Ruhe. Der eingesetzte Kragen beendete die Siebziger und war die letzte Neuerung für Jahre.

Mitte der Achtziger hatten die Designer wieder Mut gefaßt und schummelten dünne, weiße Striche in blaue, rote oder grüne Trikots. Bei der WM in Mexiko wurde dann ein wildes, in sich Gerautet-, Gestreift- oder sonstwie Gemustertsein zur gestalterischen Devise. Vier Jahre später ging wieder eine WM einer neuen Welle voran. „Italia 90“ bereitete eine wahre Farb- und Design-Explosion vor. Zunächst gerieten die Torhüter in den Zugriff der Designer. Erst brachten sie Leuchtkraft und dann ein psychedelisches Krakeldesign (Viktor Tschanow!) in die Stadien. Die laufende Bundesligasaison aber zeigt, daß es auch den Feldspielern an die Wäsche gegangen ist.

1. Borussia Dortmund hat es am schlimmsten erwischt. Die Traditionsstutzen sind verschwunden und mit ihnen gleich eine der beiden Vereinsfarben. Das BVB-Gelb, seit 1909 ein Markenzeichen, ist durch ein phosphoreszierendes Grüngelb ersetzt worden. Die Spieler sind lebende Leuchtstifte geworden und können sich so kaum noch unbemerkt von ihren Gegenspielern freischleichen.

2. Noch vor Jahresfrist spielte der 1. FC Kaiserslautern, ein in Trikotfragen sehr experimentierfreudiger Klub, in allervornehmstem Purpur, jetzt reicht es nur noch zum Hosenscheißer-Look. Kackbraune Streifen sind unmißverständlich so in die Hosen eingewirkt, daß sie gestrichen voll aussehen.

3. Verblüffend ist auch die neue Farbgestaltung beim ansonsten doch geschichtsbewußten FC St. Pauli. Seine neuen lila-schwarzen Trikots würde man eigentlich nur in Österreich oder der amerikanischen Indoor-League erwarten.

4. Der 1. FC Köln scheint sich von seinen fernöstlich inspirierten Trikots nicht trennen zu können. Aber vielleicht verlangt der koreanische Brustwerber die angedeutete japanische Reichskriegsfahne und kamikazehafte Kampfbereitschaft.

5. Eintracht Frankfurt ist das Flaggschiff der neuen „Puma„-Kollektion, deren Irrungen auch andere Profiklubs zur Schau stellen. Die Design-Idee „diagonal“ wird ausgereizt und narrt mit einigen Sternchen das Auge von Zuschauer und Gegenspieler.

6. Wattenscheid 09, die Mannschaft des Textilmagnaten Klaus Steinmann, durfte auch nicht mit den alten Trikots in die neue Liga gehen. Mit der Zusatzfarbe Rot an Ärmel und Leib, sowie einem angedeuteten „V“ rückt man den geheimnisvollsten Werbeschriftzug in den Mittelpunkt, den die Liga zu bieten hat: „Sympatex. Die Klima-Membrane“.

7. Marktwirtschaft führt nicht zwangsläufig zu bunter Vielfalt. „Trigema“ sorgt mit seinen Trikots dafür, daß der Karlsruher SC zu Hertha BSC und die zum VfL Bochum wird. Hier zeigt sich in einer Gegenentwicklung eher eine Design-Implosion, die allerdings dem letzten Beispiel vorzuziehen ist.

8. Das offizielle Mannschaftsfoto von Preußen Münster läßt den Blick in einen ungeahnten Abgrund schweifen. Das Team präsentiert sich in einem blau-braun, hellblau-weißen Trikot, das wie ein Batikversuch von Jason Pollock wirkt. Bestreiten sie darin wirklich Spiele? Gibt es schon psychologische Gutachten über das Selbstgefühl der Münsteraner Spieler, Schockwirkung auf Gegenspieler und Zuschauer?

Am Ende schließt sich daher die Frage an, ob das Design von Fußballtrikots in einen neue Phase eingetreten ist. Geht es gar nicht mehr um modische Effekte, sondern um den Versuch, sich durch eine besonders schreckliche Gestaltung Vorteile im Spiel zu verschaffen? Und was haben die Hexenküchen der Designer noch zu bieten?

Christoph Biermann