Urban Professional Willie

■ Willie DeVille im „Modernes“: An den Quellen des Weißen Rock

Es war, wie viele vermutet hatten: Als alles gen Ausgang strömte, standen im Foyer junge Männer und priesen marktschreierisch Willie DeVilles neuestes Werk an. Eine CD, in New Orleans produziert, in angeblich limitierter Auflage und angeblich auch in Zukunft in europäischen Läden nicht erhältlich. Was mag dahinterstecken, daß ein gestandener, todsicher saalfüllender Profi wie DeVille seine Platten vor der Tür verhökern muß - für satte 35 DM allerdings?

Lässig, ernsthaft, american urban

Das Konzert ließ keine Rückschlüsse zu, es war ein — mit knapp 90 Minuten zu kurzes - Lehrstück in Professionalität, das man so mancher Band, die in der jüngeren Vergangenheit auf derselben Bühne für z.T. noch höheres Eintrittsgeld gestanden hat, als Anschauung empfehlen könnte.

1988 im Modernes noch ganz der coole Rock-Macho, tritt DeVille am Dienstag ungleich ernsthafter, zurückgenommener auf: Er konzentriert sich voll auf seine Rolle als Frontmann einer perfekt aufspielenden, sich lässig american-urban gebenden (und gekleideten) Band. Das Programm ist denkbar konservativ, eine Mischung aus glasklar arrangiertem Rhythm & Blues, wunderbar druckvoll gebrachten Rock–n–Roll- Nummern und einem ausgedehnten Balladenteil. Natürlich kennt man alles, und auch die wenigen neuen Songs bergen keine Überraschungen. Ein a-capella-Swing mit viel Boum-Boum ist da noch die größte Novität: Willie DeVille ist kein Komponist von Gottes Gnaden.

Stimmlich jedoch war er wohl nie besser drauf als derzeit: Eine beispielhaft gute Abmischung erlaubte ihm die ganze Palette seines rauhen Könnens. Der Sound hatte über weite Strecken Studioqualität. Mehrfach griff er zu diversen Gitarren, was selten mehr als eine optische Bereicherung ist. Eine akustische allerdings war Saxophonist Louis Cortelezzi: klare Rockpatterns, die lässig-swingende Bühnenpräsenz paßte zur neuen reduzierten Extrovertiertheit DeVille's.

Ein fast perfektes Konzerterlebnis: Willie DeVille, jüngst nach New Orleans übergesiedelt, präsentiert die Quellen der weißen Rockmusik überzeugend wie derzeit kaum ein anderer. Rainer Köster