»Ein längst überfälliger Schritt«

■ Heftige Kritik von SPD und CDU am Zeitpunkt der »begrenzten Rechtschreibreform« der Schulsenatorin/ Volkholz verweist auf zustimmende Kenntnisnahme von Experten der Bundesländer

Rathaus Schöneberg. Die von der AL-nahen Schulsenatorin Volkholz angekündigte »begrenzte Rechtschreibreform« erschüttert das Rathaus Schöneberg. Die Ex-GEW- Chefin möchte, wie gestern berichtet, die schülerfreundliche Regelung durchsetzen, daß bestimmte Kommasetzungen und die Trennung nach Sprechsilben beim Diktat nicht mehr als Fehler angestrichen werden.

Die SPD-Fraktion fand die vorsichtige Liberalisierung von Rechtschreibregeln zwar grundsätzlich begrüßenswert, forderte aber Frau Volkholz auf, »noch einmal zu überlegen, ob ein Berliner Alleingang ausgerechnet zum jetzigen Zeitpunkt der richtige Weg ist«. Eine Verständigung zwischen Magistrat und Senat habe bei diesem Thema auch noch nicht stattgefunden. Ähnlich reagierte die CDU-Abgeordnete Laurien. Auch sie fand »einige« der Volkholzschen Änderungsvorstellungen »durchaus akzeptabel«, befand aber, daß Alleingänge »die Anziehungskraft Berlins« mindern würden. Und wenn nun die Berliner Satzgliederung durch weniger Kommata »weniger klar erkennbar wird«, so Frau Laurien in tiefer Sorge, »so werden sich beispielsweise Berliner Schulgänger bei Bewerbungsschreiben in anderen Bundesländern Minuspunkte einhandeln«.

Ob des aufgeregten Echos im Rathaus Schöneberg und in den Medien sah sich die Schulsenatorin zur Klarstellung ihres Vorschlags veranlaßt. Weder handele es sich um ein Experiment, noch setze sie eigenmächtig die 1901 von der Orthographischen Konferenz beschlossenen Regeln außer Kraft. Aus ihrer Sicht sei der Schritt zu einer begrenzten Reform aber »längst überfällig«. Diese Reform der Zeichensetzung und Worttrennung sei immerhin bereits im September 1989 von einer Expertenkommission der Kultusbehörden aller Bundesländer gutgeheißen und von der Kultusministerkonferenz letzte Woche zustimmend zur Kenntnis genommen worden.

Daß PolitikerInnen im übrigen vorsichtig sein sollten, wenn die deutsche Sprache zugleich Mittel und Objekt ihres politischen Streites wird, beweisen die zu diesem Thema in den Redaktionen eintrudelnden Presseerklärungen. Man setze keineswegs weiterhin gültige »Rechtschrei-bregeln« außer Kraft, heißt es ausgerechnet zum Thema Silbentrennung in der Erklärung der Senatsverwaltung für Schule, Berufsbildung und Sport. Was bitte ist ein Rechtschrei? Überboten wird dieser nur noch durch die Formulierungskünste Frau Lauriens zum Thema »Sprachverständnis und Silbentrennung«: »Wie man beispielsweise im Wort ‘Pädagoge‚ die Abtrennung setzt, hat noch niemals einen guten Deutschlehrer zu einer dramatischen Bewertung eines Schülers verführt«, windet sich in der CDU-Presseinformation ein Satz in Krämpfen. usche