Klasse Rockklassik

■ Roger „Chappo“ Chapman war im Modernes

Vor 18 Jahren, zu „Familiy“-Zeiten, hätte ich keinen Penny darauf verwettet, daß das grobgekörnte Sandpapier-Organ Roger Chapmans die Dekade überstünde.

Heute, nach rund 20 Platten und einem halben Leben auf Tour, präsentiert sich der 49jährige immer noch in stimmlich allerbester Verfassung und bot im Modernes fast drei Stunden eine rockklassische Vorstellung vom Feinsten. Seine Gemeinde, trink- und standfeste Rough Guys in der Mehrzahl, füllte den Saal erwartungsgemäß prall und bekam eine erstaunlich differenzierte Mischung serviert: Die Zeiten, wo sich in Chapmans Programm zwischen gnadenlosen Druck- Nummern eine einzige Ballade verbarg, sind offensichtlich vorbei.

Schon das vergleichsweise schmale Line-Up — Verzicht auf Saxophon und Background-Ladies, dafür zu Gitarre und Bass zwei überaus wirkungsvolle Keyboarder — verdeutlichten seinen neuen Hang zu vergleichsweise moderaten, trendgemäß stark bluesorientierten Zwischentönen. Einfaches, wirkungsvolles Konzept: Chapman unterbrach seine Geradeaus-Stücke in den Mittelteilen für tempoverschleppte, gebrochene Passagen, in denen er Gitarrist und Keyboarder Raum für kurze Blues-Statements gab und sein eigenes Shouter-Volumen so weit reduzierte, daß ein im Modernes bislang unbekanntes Phänomen zutage trat: Es war manchmal zu leise.

Nicht immer, vor allem am Anfang nicht, war das Ergebnis gleichbleibend spannend, aber immer charmant: der gut aufgelegte Chappo, dem nach 20 Minuten das Hemd schon bis zum Bauchnabel am Leib klebte, schien manchem spontanen Einfall nachzugeben, dem die Band verschmitzt, doch bisweilen um den Preis deutlichen Spannungsabfalls, zu folgen suchte. Machte nichts, auch nicht, wenn vielleicht doch alles abgesprochen war.

Denn stets fand Chapman zu seinem kompromißlosen, messerscharfen Druck zurück, ließ im zweiten Teil Blues und Rhythm & Blues dominieren, zitierte die Beatles, die Temptations und Jerry Lee Lewis und setzte bis zum Schluß seine druckvoll und souverän, wenn auch optisch unauffällig agierenden Mitspieler sympathisch und großzügig in Szene. Professionell auch der Sound: Selbst in Extrembereichen nicht zu laut.

Spätestens zur Zugabe, als noch lange nicht Schluß war, schwitzte jeder im brütendheißen Saal solidarisch mit. Nach „Shadows on the wall“, im Mittelteil relaxed Reggae-verschleppt, wurde er zum dritten Mal zurück auf die Bühne getrommelt und gepfiffen. Chappos Party '90: Gewohnt gute Ware für's gute Geld. Rainer Köster