BKA kam ohne Durchsuchungsbefehl

■ Bremerhavener soll verraten haben, daß im Hafen US-Containerschiffe liegen

Die Herren des Morgengrauens kamen zur besten Tagesschau-Zeit. Am Montag abend um 20.15 Uhr klingelten Beamte des Bundeskriminalamtes an der Wohnung eines 39jährigen Bremerhaveners und verkündeten mit der ganzen Kraft ihres Amtes, daß sie jetzt unverzüglich seine Wohnung durchsuchen müßten und machten sich dann zu siebt ans Wühlen und Spüren.

Begründung: Verdacht der Spionage für einen östlichen Geheimdienst. Einen richterlichen Durchsuchungsbefhl konnten die Beamten zwar nicht vorweisen, aber dafür rechtfertigten sie die Durchsung mit Gefahr, die im Verzuge sei.

Der überraschte Mann, Mitarbeiter im Kulturamt der Stadt Bremerhaven, rief sofort seinen Anwalt, Manfred Ernst, herbei. In dessen Anwesenheit konfrontierten die Bundeskriminalen den Angeschuligten mit einem Vorhalt. Ernst: „Die wollten wissen, ob es richtig sei, daß er einem Dritten gegenüber mitgeteilt habe, daß in Bremerhaven US-Containerschiffe liegen.“

Diese allgemein und öffentlich bekannte Tatsache hat das Bundeskriminalamt vermutlich von einem enttarnten ehemaligen Ostagenten erfahren. In dessen Notibuch soll sich der Name des Bremerhaveners gefunden haben. Anwalt Ernst: „Wenn ihr Name in so einem Notizkalender steht, und der wandert zum BKA, dann müssen Sie mit so etwas rechnen.“ Sein Mandant jedenfalls kenne weder Stasi- noch Geheimdienstleute aus der UdSSR oder einer anderen östlichen Macht, noch habe er etwas gesammelt oder weitergegeben.

Gefallen lassen will sich Ernst diese Ermittlungsmethoden im Auftrage seines Mandanten jedoch nicht. Er will Beschwerde einlegen. Ernst vermutet, daß die Begründung „Gefahr im Verzuge“ nur deshalb gewählt worden ist, weil das dem BKA vorliegende Material für einen richterlichen Durchsuchungsbefehl nicht ausgereicht hätte. Und auch für die Uhrzeit des ungebetenen Besuchs hat Ernst eine Erklärung. Zu Geschäftszeiten des Gerichts hätte er möglicherweise die Aktion von einem Richter unterbrechen lassen können, am Abend aber, „da kriegen Sie in Bremerhaven doch niemanden mehr.“

Die Kritik des Rechtsanwaltes wies das BKA gestern „entschieden zurück“. Gefahr im Verzuge habe bestanden, weil, so die ominöse Begründung, der Verdacht gegen den 39jährigen einer Person bekannt geworden sei, von der zwingend zu erwarten gewesen sei, daß sie den Beschuldigten warnen würde. Ernst dazu: „Die arbeiten pausenlos mit irgendwelchen Anonymen. Die sollen mal Roß und Reiter nennen.“

Auch die Stadt Bremerhaven scheint die Vorwürfe gegen den Mitarbeiter der Verwaltung nicht sonderlich ernst zu nehmen. Eine Suspendierung vom Dienst wird jedenfalls zur Zeit nicht erwogen.

In Wiesbaden haben die Beamten jetzt ausreichend Zeit, das beschlagnahmte Masterial auszuwerten und dabei gleichzeitig ihre Russischkenntnisse auszubauen. Neben einem Kofferadio und sieben Lehrerkalendern wurden nämlich auch drei Schallplatten beschlagnahmt. Darauf: Ein Russischsprachkurs. hbk