„Auch die Europäer werden nachgeben müssen“

■ Uruguays Agrarminister Alvaro Ramos über Gatt-Perspektiven und die Liberalisierungsforderungen des Nordens INTERVIEW

Ramos leitet die uruguayische Delegation bei den Gatt-Verhandlungen in Genf und Brüssel.

taz: Die lateinamerikanischen Länder machen immer wieder geltend, durch die Dumping-Politik würden sie Märkte verlieren. Können Sie Beispiele nennen?

Alvaro Ramos: Natürlich. 90 Prozent unserer Exporte sind landwirtschaftliche Produkte, ein traditioneller Exportschlager war Butter. Vor kurzem haben wir dem Iran Butter für 1.100 Dollar die Tonne verkaufen müssen, da die EG die Weltmarktpreise auf ein Minimum gedrückt hat, die nichts mehr mit den Produktionskosten gemein haben. Innerhalb der EG ist eine Tonne Butter 2.800 Dollar wert; in diesem Betrag sind bereits die Subventionen enthalten, die den Bauern gezahlt werden. Um die Butter zu exportieren, wird sie nochmal mit Milliarden subventioniert. Anderes Beispiel: Im November kaufte Brasilien auf dem Weltmarkt Weizen ein, Frankreich unterbot alle Anbieter und bekommt nun 82 Dollar pro Tonne. Für dieselbe Tonne wird den französischen Bauern 380 Dollar gezahlt. Unsere Länder können da nicht mithalten. Denn hier konkurrieren nicht die uruguayischen Bauern mit den französischen Bauern, sondern die uruguayischen Bauern mit dem Schatzamt von Paris. Deshalb fordern wir das Ende der Subventionen und der Einfuhrbeschränkungen, damit ein wirklich freier Wettbewerb stattfinden kann.

Die europäische Landwirtschaft hat mehr mit einer staatsdirigistischen Planwirtschaft als mit kapitalistischem Wettbewerb zu tun. Gleichzeitig fordern Weltbank und IWF von den Ländern der Dritten Welt stets die Öffnung ihrer Märkte und den Abbau jeglicher Subventionen. Nur so gelang es Industriestaaten innerhalb von 15 Jahren, die Märkte des Südens mit ihren Produkten zu überschwemmen und die dortige Industrie in den Bankrott zu treiben. Sträuben sich Ihre Verhandlungspartner gegen diese Argumentation?

In der Tat wird hier doppelzüngig argumentiert. Bei uns gibt es weder direkte noch indirekte Subventionen, der Staat interveniert nicht und wirkt nicht auf die Preisbildung ein. Eine einzige Ausnahme ist die Milch für den eigenen Verbrauch. Weltbank, IWF und die internationalen Finanzorganisationen sprechen mit doppelter Zunge, indem sie von uns öffentlich die Liberalisierung fordern, während ihre eigenen Regierungen davon meilenweit entfernt sind. Dies zur Kenntnis zu nehmen, ist für die Teilnehmer der Uruguay- Runde eine harte Lektion.

Was passiert, wenn sie scheitert?

Noch diskutieren wir, und wir sollten bis zum Schluß nach Lösungen suchen. Wenn sie scheitert, wird der Agrar-Weltmarkt aus dem Ruder geraten. Die EG hat uns praktisch nichts angeboten: Kein Abstrich bei den Exportsubventionen und nur 30 Prozent weniger Subventionen für die Produktion, bezogen auf jenes Jahr [1986, d.Red.], in dem wie nie zuvor die europäischen Bauern gestützt wurden, und inklusive aller in den letzten Jahren gestrichenen Subventionen. Unter dem Strich bleibt von dem Angebot nichts übrig. Wenn die Industriestaaten die Uruguay-Runde scheitern lassen, setzen sie das hochkomplizierte System des internationalen Handelsaustauschs und Gatt aufs Spiel. Sie werden mehr verlieren als sie gewinnen wollen, denn auch über die Punkte, die ihnen am Herzen liegen — Dienstleistungen und geistiges Eigentum, das heißt Respektierung der Patente, Warenzeichen und Urheberrechte — wird es dann kein Abkommen geben.

Nun gibt es in Frankreich und Deutschland, wo im Dezember gewählt wird, massiven Druck der Bauern.

Das sehe ich sehr wohl, trotzdem werden auch die Europäer nachgeben müssen. Sie haben immer großen Wert auf die Eigenversorgung mit Lebensmitteln gelegt, was meiner Meinung nach ein längst überholtes Konzept ist. Außerdem wollen sie die Landbevölkerung auf dem Land belassen, damit die Städte nicht überquellen. Das ist verständlich, aber dieses Interesse darf nicht über die internationalen Beziehungen gesetzt werden. Wir stehen in den unterentwickelten Ländern vor viel bedrohlicheren Realitäten. Wir sind vom Export unserer landwirtschaftlichen Produkte abhängig, um überleben und die Armut mindern zu können. Das Scheitern der Uruguay-Runde wäre für uns ein soziales Drama. Wir würden in einem Subventions-Krieg zwischen den USA und der EG aufgerieben werden, einem Handels-Konflikt mit hoher Intensität, den wir auf jeden Fall verlieren würden. Wie sollen unsere Bauern mit den gefüllten Staatskassen des reichen Nordens konkurrieren?

Was wird Ihre Regierung im Falle eines Scheiterns tun?

Wir können dann weiter bilateral verhandeln, Schlupflöcher und Nischen im Weltmarkt suchen, jedes Land kann für sich um Importquoten feilschen. Der eine darf dann vielleicht ein paar Tonnen Fleisch liefern, der andere, wenn er Glück hat, ein bißchen Butter, der dritte ein paar Säcke Weizen. Wir können natürlich auch an die Bildung eines großen Wirtschaftsblocks denken. Auf dem Tisch liegt der Vorschlag von US-Präsident Bush für eine Freihandelszone von Alaska bis Feuerland. Das könnte eine Alternative sein, vor allem wenn wir in Südamerika einen soliden Block bilden, um als gleichberechtigte Partner mit Kanada und den USA Handel zu treiben. Auf jeden Fall wird jede dieser Alternativen mit immens hohen sozialen Kosten verbunden sein.

Was würde das für den Schuldendienst bedeuten?

Wir können den Schuldendienst nur bedienen, wenn wir Devisen haben. Woher sollen wir die bekommen wenn nicht aus dem Export? Wenn wir aufgrund der Dumpingpolitik der EG nichts mehr verkaufen können, und das wenige, was wir noch an den Mann bringen, immer weniger einspielt, dann können wir die Auslandsschulden nicht mehr bezahlen. Der Sturz der Weltmarktpreise ist in einigen Fällen dramatisch. Wenn die Uruguay- Runde scheitert, steht auch das internationale Finanzsystem auf dem Spiel. Das sollte man in Europa wissen. Interview: Gaby Weber