Wer nicht friert muß essen

■ Die Eiswette findet zum 162. Male statt

Ja damals, im kühlen Jahre 1829, da machte das noch einen handgreiflich ökonomischen Sinn, zu Beginn des Jahres den spiddeligen Schneider nachprüfen zu lassen, inwieweit das Eis auf der Weser geeignet war, ein Menschlein zu tragen. Immerhin entschied der Ausgang des Menschenversuchs, ob der Warentransport auf der Weser ernsthaft behindert war oder aber nicht. Ja damals, da floß nicht nur die Weser langsamer und flacher und breiter, da waren auch noch die Winter mit einer solchen Regelmäßigkeit eisig genug, daß es die Spannung lohnte, zu wetten über die Frage, steiht oder geiht die Weser, bricht der Schneider ein oder kommen wir um unser Vergnügen.

Die Zeiten sind vorbei, die Weser fließt jetzt schneller und mit künstlichen Gerinnungshemmern gesättigt, das Klima stellt keine frostträchtigen Temperaturen mehr zur Verfügung und weder das sportliche Wett-Interesse noch der sadistische Thrill sind gewährleistet, die eine solche Tradition Sinn geben.

Dafür gibt es jedoch eine Pressekonferenz, auf der Eiswettepräsident Peter Kloess das Programm der 162. Eiswette vorstellte. Traditionsgemäß wird also am 6.1. um 12 Uhr am Punkendeich von einem symbolischen Schneider symbolisch nachgeschaut, real festgestellt und notariell besiegelt, daß die Weser geiht. Anschließend wird vertagt.

Und abends am dritten Januarsamstag, da geht es dann richtig ab. Bei besinnlichen Vorträgen prominenter Herren rechten Geblüts (in diesem Jahr US-Botschafter Vernon Walters, letztes Jahr Helmut Kohl, einige Jahre zuvor F.-J. Strauss) treffen sich die 700 Eiswett-Genossen und handverlesen geladene Gäste zu „einem der neben Schaffermahl und Tabakskollegium drei für Bremen wesentlichen Ereignisse im Jahr“ wie Präsident Kloess taxiert. 700 gestandene Geschäftsherren (“Erfolg ist eine der Voraussetzungen im Eiswett-Verein“), versammelt, um hemmungslos zu spachteln und dem deftig-bremischen Braunen Kohl mit kernigem Alkohol abzuhelfen. Frauen sind keine darunter, das ist Tradition und besser so, denn sonst „würde die Eiswette leiden“, sagt Kloess. Nicht, daß nicht auch kommen Frauen dürften, sie „werden nur nicht eingeladen“ und würden sie eingeladen, erhielten sie „keine Zulassungskarte“. Aber Gott sei Dank passiert das auch nicht. Und für die Gattinnen der versammelten Honoratioren ist, so Kloess weiter, „die Eiswette eine Wohltat, weil sie sich für 8 Stunden sicher fühlen“ können. Dennoch will er nicht über das Schicksal des Geschlechterausschlusses spekulieren, denn „Prognosen sind immer schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.“ step