Ein Tannenbaum wird »festgenommen«

■ Ein Weihnachtsbaum soll bei seinen Besitzern Hautausschläge ausgelöst haben/ Weil das immergrüne Gewächs in der Weihnachtszeit unter das Lebensmittelgesetz fällt, wird nun das Landesuntersuchungsinstitut die Tanne auf Gift untersuchen

Reinickendorf. Die Arzthelferin Ute Kluge war nicht die einzige. Auch ihr Freund und ihre zwölfjährige Tochter bekamen einen Tag vor Heilig Abend an ihren Armen Hautausschläge. »Mein Arm sieht aus, als hätte ich in einen Büschel Brennessel gefaßt«, beschreibt die Arzthelferin den Ausschlag mit den juckenden, kleinen roten Bläschen. Bei der 37jährigen sind die Quaddeln heute immer noch schwach zu sehen. Ihr Hautarzt habe festgestellt, daß die Bläschen keine allergische Reaktion seien, und daher der gezüchtete Baum toxisch (giftig) sein müsse. Im Wartezimmer des Dermatologen saßen am selben Tag drei weitere Patienten, die aufgrund gleichartiger Hautausschläge nicht besonders gut auf ihre Tannenbäume zu sprechen waren.

Ute Kluge brachte das immergrüne Gewächs zur nächstgelegenen Polizeiwache und gab eine Anzeige auf. Von dort wird der Nadelbaum weiter in das Landesuntersuchungsinstitut wandern. In dem staatlichen Institut werden Lebensmittel, Spielzeug, Mageninhalte von Suizidtoten und selbst »Wurzeln aus Indien« untersucht. Daß dieser Tage auch der Tannenbaum unter die Skalpelle seiner Mitarbeiter kommen wird, überraschte Günther Klaus, Chef des Instituts. Zwar würden »oft ungewöhnliche Gegenstände mit unterschiedlichsten Fragestellungen« abgegeben, Tannenbäume seien aber »bisher noch nie dabei gewesen«. Da der Baum als vergiftet gilt, würde er vermutlich in der Abteilung für Humantoxikologie analysiert werden. Über das Ergebnis der Untersuchung wird Frau Kluge informiert.

Daß das nächstgelegene Polizeirevier verdächtige Tannenbäume annehmen muß, erklärt Hauptkommissar Dieter Lück vom polizeilichen Gewerbeaußendienst mit dem Lebensmittelgesetz. Danach sei der Baum zumindest in der Weihnachtszeit ein »Bedarfsgegenstand« und als solcher dürfen vom ihm keine gesundheitlichen Gefahren ausgehen. Sollte ein Verdacht auf gifthaltige Stoffe bestehen, erarbeitet das Gerichtsmedizinische oder das Landesuntersuchungs-Institut ein Gutachten.

Merkwürdigerweise scheinen sich mit diesem Gang der Dinge weder die Gesundheitsämter noch das Umwelttelefon auszukennen. »Bei allen staatlichen Stellen wurde ich abgewimmelt«, beschwert sich Ute Kluge. Nur die Verbraucherzentrale habe mit dem richtigen Ratschlag weiterhelfen können.

Frau Kluges Hautarzt vermutet, daß die Hautausschläge möglicherweise von ätherischen Ölen verursacht wurden, die der Baum zur Winterzeit entwickeln soll. Daß die Weihnachtsbäume mit giftigen Pflanzenschutzmittel besprüht worden seien, sei allerdings auch denkbar. Ob nun so oder so: Frau Kluge möchte in der Zukunft vor giftigen Tannenbäumen gewarnt werden. Dirk Wildt