Es gibt keine Hauptstadt mehr

■ Die Montagsexperten lassen die Hauptstadtkolumne ausfallen HAUPTSTADT GANZ NACKT — FOLGE 3

Keine Hauptstadtkolumne heute, keine Hauptstadt zudem. Wo soll die sein? Das Netzwerk der Medien, das uns die letzte und äußerste Geschichte, die mit ihren jetzigen Mitteln zu erreichen ist, dieser Tage erzählt, hat die Welt, so Marshall McLuhan, zu einem Dorf gemacht.

Die Medien heute zeigen uns, wie dieses Dorf aussieht: keine Alleen, kein Unter den Linden werden wir uns finden, statt dessen ein permanentes Katastrophengebiet, das seine Zentren dort hat, wo es brennt, solange es dort brennt.

Es gibt keine Hauptstädte mehr, sondern nur noch Krisengebiete, keine Innenstädte, sondern Epizentren tektonischer Beben durch alle Kulturen hindurch und immer sind wir live dabei, Kampfschwimmer auf den Medienkanälen, Zuschauer im nicht endenden Krieg. Wenn sich, wie jetzt, die Netze verdichten, die permanente Katastrophe sich in einen sichtbaren Krieg verwandelt, dann werden aus den über die Medien an den Krieg angeschlossenen Menschen Strategen, Kommentatoren, Kenner der kompliziertesten Waffensysteme. Angetrieben von der Prosa der Militärs, we dropped the bombs and ran like hell, den Improvisationen der Reporter, and now we hear planes actually overhead, I am going to be quiet and let you listen, den komplizierten Wortgebilden der Technik, the high speed radar missile is configured to home in almost any variety of radar signal and to destroy its transmitter, verwandelt die Sprache, die mit dem Krieg mithalten will, alles um sich herum in Kampf, Strategie, und es wird nicht wenige geben, die daraus Literatur machen. Auch nach diesem Krieg werden Gedichte geschrieben, wahrscheinlicher ist, daß sie noch während des Krieges geschrieben werden. Höttges