Kuwait als das„ Schlesien“ des Irak

Deutsche Rechtsradikale sehen Hussein als Befreiungskämpfer gegen die Supermächte/ Irakischer Presseattache in Bonn vergleicht die „berechtigte Wiedervereinigung des deutschen Volkes“ mit dem „irakischen Bestreben nach arabischer Einheit“  ■ Von Bernd Siegler

NÜrnberg (taz) — Während westliche Medien den Feldzug gegen den „Irren“ vom Golf fortsetzen, steht der irakische Staatschef Saddam Hussein bei bundesdeutschen Rechtsradikalen hoch im Kurs. Sie bezeichnen Kuwait als Schlesien des Irak, ziehen Parallelen von der deutschen Einheit zu den arabischen Vereinigungsbemühungen und sehen Hussein als Verbündeten für ihren Antiamerikanismus. Das bereitet dem hessischen Innenminister Hartmut Nassauer (CDU) Sorgen. Er verknüpfte seine Warnung vor möglichen Anschlägen „palästinensischer Terrorkommandos“ mit der Ankündigung, „neonazistische Aktivisten genau im Auge zu behalten“.

Nassauer begründete dies mit der Existenz einer „irrationalen Saddam-Hussein-Hitler-Verehrung“ bei der „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ um Michael Kühnen. Dabei wäre neonazistischen Gruppierungen und linksextremistischen Palästinensergruppen ein „militanter Antizionismus“ gemeinsam. Der Innenminister erinnert an den Libanonaufenthalt der rechtsextremen Wehrsportgruppe Hoffmann. Die Zielrichtung von Nassauer ist dabei klar. Die Totalitarismustheorie feiert fröhliche Urständ.

In der Tat feiert derzeit eine „Antizionistische Aktion“ aus dem Umfeld von Michael Kühnen auf Plakaten und Flugschriften Saddam Hussein als „Befreiungskämpfer“, und rechtsradikale Publikationen und Gruppierungen zeigen unverhohlene Sympathie mit dem irakischen Staatschef. Doch sie begründen dies weniger damit, daß sie in Hussein einen zweiten Hitler verehren, sondern sehen im Golfkrieg einen Befreiungskampf der Völker gegen die Supermächte. Sie passen den Konflikt in ihr Konzept des Ethnopluralismus ein, das ein Nebeneinander der Völker fordert, eine „Vermischung“ jedoch strikt ablehnt.

So bezeichnet der Herausgeber der an jedem Kiosk erhältlichen „Staatsbriefe“, der frühere WELT- Redakteur Hans-Dietrich Sander, den Kuwaitkonflikt als „innerarabische Angelegenheit“. Die Eingliederung Kuwaits als 19. Provinz des Iraks sei „geopolitisch und ethnisch einleuchtend“. Saddam Hussein habe jetzt eine „große Chance, die fremden Einflüsse zu beenden“. Die „verfaulende Nachkriegsordnung“ sei zu überführen in eine „Ordnung konkreter Großräume, die auf dem Interventionsverbot für raumfremde Mächte fußen“.

Was Sander noch vorsichtig umschreibt, bringt die seit 1953 in Coburg herausgegebene Monatszeitschrift „Nation + Europa“ (Auflage 15.000) auf die griffige Formel: „Arabien den Arabern (und dem Islam), Europa den Europäern und ganz Deutschland den Deutschen!“ Das von NPD-Mitglied Peter Dehoust herausgegebene Magazin warnt zwar gleichzeitig vor dem „geschichtsmächtigen, fanatisch-gefährlichen Islam“, macht sich aber gegen die US-Interessen zum Fürsprecher „des Einheitswillens des Zweihundertmillionenvolkes Arabien“. Dehoust fordert von Deutschland „strikte Neutralität“ und liegt damit auf einer Linie mit dem Vorsitzenden der „Republikaner“, Franz Schönhuber. Schönhuber hatte vom Beginn der Krise an gegen einen Einsatz von deutschen Soldaten in der Golfregion plädiert. Sie sollten nicht für den „american way of life“ verheizt werden.

Auch Schönhubers Abtrünnige REP-Kollegen im Europaparlament fordern, daß sich Deutschland aus „innerarabischen Problemen“ heraushalten sollte. Dementsprechend freundlich wurde Ende November auch der Chef der „Front National“, Jean Marie Le Pen, in Bagdad von Staatschef Hussein und Außenminister Asis empfangen. Mit von der Partie war der schleswig-holsteinische REP-Vorsitzende und Europaparlamentarier Emil Schlee. Beide stimmten mit Hussein überein, daß es den USA „nicht um die Durchsetzung völkerrechtlicher Prinzipien“ gehe, und erwirkten die Freilassung von 85 Geiseln. In der vom ehemaligen bayerischen REP-Landesvorsitzenden Harald Neubauer herausgegebenen „Deutschen Rundschau“ fordert ein Holger Hartung im Zuge der Golfkrise die Aufkündigung der deutschen NATO-Mitgliedschaft. Die „Deutsche Rundschau“ versteht die Annexion Kuwaits als „Wiedervereinigung irakischer Landesteile“ und vergleicht die Abtrennung des Scheichtums vom Irak auf Betreiben Großbritanniens im Jahre 1920 mit der „Abtrennung Oberschlesiens und Südtirols von ihren Stammländern“.

Auch der rechtsintellektuellen „Jungen Freiheit“ (Auflage 30.000) fällt bei Kuwait sofort Schlesien ein. Chefredakteur Dieter Stein kritisiert Kanzler Kohl, daß dieser sich einen „feuchten Kehricht um 800.000 deutsche Staatsbürger“ in Polen schere und stattdessen mit drei Milliarden DM den Aufmarsch der USA am Golf ünterstütze. In dem Hochglanzmagazin „Europa vorn“, herausgegeben von REP-Funktionär Manfred Rouhs, kommt schließlich neben dem neonazistischen Historiker David Irving auch der Presseattache der irakischen Botschaft in Bonn, Alubaidi, zu Wort. Er vergleicht die „berechtigte Wiedervereinigung des deutschen Volkes“ mit dem „irakischen Bestreben nach arabischer Einheit.“