Unter dem Druck der Eskalation

■ Deutsche Rüstungsexporteure, die Bundeswehr und die demokratische Linke

Der Krieg am Golf eskaliert: Am Sonntag soll der irakische Diktator Saddam Hussein seinen Kommandeuren im besetzten Kuwait „ab sofort“ den Einsatz von Senf- und Nervengas gegen die alliierten Streitkräfte befohlen haben. Falls die irakische Armee in den nächsten Tagen tatsächlich mit C-Waffen aus den von deutschen Firmen errichteten Giftgasfabriken sowohl die Bodentruppen der multinationalen Streitkräfte als auch Israel angreifen sollte, wird die Bundeswehr aktiv an der Seite der Alliierten in den Krieg eintreten ( müssen). Wenn die ersten, durch deutsches Giftgas elend zu Tode gekommenen US-Soldaten in Plastiksäcken über die Rhein-Main-Airbase zur Bestattung in die Staaten ausgeflogen werden, wird der Verweis auf das Grundgesetz dann selbst von den (noch) gegen die Stationierung von deutschen Luftabwehreinheiten im Krisengebiet opponierenden Sozialdemokraten als Flucht vor der Mitverantwortung für diesen Krieg interpretiert werden.

Die bundesdeutsche demokratische Linke ist aufgefordert, eine Position zu dieser prognostizierbaren Eskalationsstufe zu antizipieren. Der Krieg am Golf ist nicht der Kampf der Mächte des Lichts gegen den Herrn der Finsternis, wie das US-Präsident George Bush vor Wochenfrist erklärte — und deshalb verdient eine pazifistische Grundhaltung Respekt. Der Waffengang um Kuwait läßt sich aber auch nicht auf einen „schmutzigen Krieg“ der US- Amerikaner um die Erdölquellen der Region reduzieren. Saddam Hussein ist [wie Özal u. Bush, d. K.] ein skrupelloser Massenmörder, der bereits im iranisch-irakischen Krieg Giftgas einsetzte und einen Ausrottungsfeldzug gegen die irakischen Kurden inszenierte, und der die Vernichtung Israels zum obersten Kriegsziel deklariert hat. Und deshalb verdienen auch die sogenannten Bellizisten innerhalb der demokratischen Linken und — so paradox es klingen mag — auch innerhalb der Friedensbewegung Respekt. Verläuft nicht die „Frontlinie“ zwischen Pazifismus und Bellizismus in Sachen Golfkrieg quer durch unsere Köpfe?

Die mit dem ungerechten Vorwurf des „Antiamerikanismus“ konfrontierte Friedensbewegung hat es bislang nicht verstanden, eine Massenbewegung gegen die Händler des Todes und ihre politischen Handlanger im eigenen Land zu organisieren, in die sich Pazifisten und sogenannte Bellizisten mit ihren Wertevorstellungen einbringen können. Die bundesdeutschen Waffenexporteure und die sie tolerierenden Politiker tragen die Verantwortung dafür, wenn die Bundeswehr — auf internationalen moralischen Druck hin — demnächst tatsächlich Teil der multinationalen Streitmacht am Golf werden sollte. Klaus-Peter Klingelschmitt