Bundeswehr wird immer unbeliebter

■ 3085 KDV-Anträge / Standortältester: Nachdenklichkeit in der Truppe

In Bremen und Niedersachsen haben im Januar dreimal mehr Soldaten, Wehrpflichtige und Reservisten Kriegsdienst verweigert als im Januar 1990. Das gab gestern die zuständige Wehrbereichsverwaltung 2 in Hannover bekannt. „Große Nachdenklichkeit“ unter den in Bremen stationierten Soldaten stellte gleichzeitig der Bremer Standortälteste der Bundeswehr, Oberst Ekkehard Löhr fest. Überwiegend herrsche aber Gelassenheit in der Truppe, es gebe keine Aufregung und das Leben in der Bundeswehr gehe seinen normalen Gang, sagte er auf der Landespressekonferenz zum Thema „Die Bundeswehr und der Golfkrieg — Anmerkungen zur inneren Verfassung der Truppe“.

Nach Angaben der Wehrbereichsverwaltung 2 in Hannover haben im Januar dieses Jahres in Niedersachsen und Bremen 1.426 ungediente Wehrpflichtige und 151 aktive Soldaten den Kriegsdienst verweigert. Auch 1.508 Reservisten wollten nie mehr zu Wehrübungen eingezogen werden. Damit verweigerten im Januar dieses Jahres 16mal soviele Reservisten wie noch im Januar 1990. Wie hoch genau die Verweigererzahlen in Bremen sind, wollte die Bundeswehr nicht aufschlüsseln.

„Vor der Wehrübung im Januar haben fünf Reservisten einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung eingereicht, zwölf sind der Übung ferngeblieben, ohne Gründe anzugeben“, sagte Oberst Löhr gestern. 400 Reserve-Soldaten hatte die Bundeswehr schriftlich mitgeteilt, daß sie für eine Übung der drei Bremer Heimatschutz-Kompanien gebraucht würden, die im Kriegsfall Brücken, Bahnhöfe und militärische Objekte beschützen sollen. Von den 400 ursprünglich eingezogenen Soldaten seien im Endeffekt nur etwa die Hälfte tatsächlich angetreten, so der Standortälteste.

„Die überwältigende Mehrheit der Soldaten steht zu ihrem Auftrag in der Bundeswehr und ist oft noch ernsthafter bei der Sache als vorher“, berichtete Oberst Löhr über seine Erfahrungen in der Truppe. Doch er wolle nicht abwiegeln. Allgemein gebe es eine große Nachdenklichkeit, die Gespräche unter den Soldaten seien viel intensiver und viele müßten bei „Null“ neubeginnen zu denken. Auch ihm selbst sei durch den Golfkrieg und den Einsatz der Bundeswehr der Schrecken in die Glieder gefahren. Gefährliche Auswirkungen auf die Bundeswehr habe das aber nicht.

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