Eine Verwaltung unter den Nazis

■ In Wilmersdorf erforschen drei PolitologInnen den Einfluß des Dritten Reiches auf das Bezirksamt/ Zur Untersuchung der Anpassung der Beamten an das NS-Regime werden noch Zeitzeugen gesucht

Wilmersdorf. Was Hitler in der Weltpolitik anrichtete, ist weitgehend erforscht. Kaum bekannt ist dagegen, wie das Dritte Reich sich auf die Verwaltung eines Berliner Bezirksamtes auswirkte. Drei PolitologInnen wollen diesem Umstand nun Abhilfe schaffen. Sie untersuchen seit fünf Wochen die Geschichte des Wilmersdorfer Bezirksamtes unter den Nazis. »Wir wollen wissen, wie die ganz normale Verwaltung damals funktionierte«, erklärt der Pressesprecher Karl-Heinz Metzger. Besonders interessiert die drei ForscherInnen, Monika Schmidt, Herbert Wehe und Martina Wiemers dabei, wie der Wandel von der kommunalen Selbstverwaltung hin zu einem ausführenden Organ vonstatten gegangen ist. »Exemplarisch« soll hier geforscht werden, denn Wilmersdorf ist der einzige Bezirk, der drei hauptamtliche PolitologInnen allein zu diesem Zweck engagiert hat. Lediglich in Steglitz beschäftige sich noch ein Arbeitskreis mit demselben Thema, sagt Martina Wiemers.

Konkret wollen sie unter anderem herausfinden, wie die einzelnen Verwaltungen ihre Aufgaben aufteilten und wie der Arbeitsalltag in den Ämtern aussah. Ob und wie sich die Mitarbeiter anpaßten, soll erforscht werden, auch, welche Auswirkungen die veränderte Verwaltung auf die betroffenen BürgerInnen hatte.

Die Arbeit besteht nun hauptsächlich aus dem Lesen von Verwaltungsakten und dem Durchforsten der verschiedenen Archive. Auch Zeitzeugen werden gesucht. Da vor dem Einmarsch der Russen viele Akten verbrannt wurden, sind die drei oft auf Zufallsfunde angewiesen.

Erste Ergebnisse der Forschungen sind schon zu sehen: Wie konservativ der Bezirk Wilmersdorf damals war, zeigt ein Bezirkswahlergebnis vom März 1933. In Wilmersdorf wählten gut 61 Prozent der Bürger die NSDAP im Vergleich zu gut 50 Prozent in ganz Berlin. Auch mußten in Wilmersdorf nur sieben Beamte nach dem Machtwechsel ausgetauscht werden. Das war die niedrigste Austauschquote in Berlin — die höchste hatte Wedding.

Von den Veränderungen in der Verwaltung waren als Bevölkerungsgruppe die Juden am meisten betroffen. Wiemers kann es zwar noch nicht belegen, hat aber die Vermutung, daß sich für die restliche Bevölkerung wenig geändert hat. Diese »hat in Kriegszeiten sicherlich davon profitiert, daß die Verwaltung so reibungslos funktionierte«, erklärt Wiemers. Zum Beispiel hätten die Einwohner keine Probleme gehabt, ihre Bezugsscheine zu bekommen.

»Ein Überraschungsfund« war nach den Worten des Pressesprechers Metzger der Kriegsverwaltungsbericht von 1939 bis 1941, der im Stadtarchiv gefunden wurde. Er sei so wertvoll, weil er »ganz umfassend, detailliert und genau« sei, erklärt Wiemers. So hätten sie sehen können, daß statistische Arbeiten im Krieg kaum noch durchgeführt wurden. Wie genau der Kriegsverwaltungsbericht ist, zeigt das Beispiel der Hundesteuer. In dem Bericht ist vermerkt, daß im Bereich der Hundesteuer ein Steuerrückgang zu verbuchen sei. Der Grund: Die Hunde wurden zur Wehrmacht eingezogen.

Trotz der kurzen Zeit herrscht Zufriedenheit über das bisher Erforschte. Im Zuge der Arbeitsteilung hat sich jeder ein Spezialgebiet gesucht. Wiemers untersucht den Personal- und Verwaltungsbereich, Schmidt die Fürsorge, während Wehe sich um den Gesundheitsbereich kümmert.

Die PolitologInnen haben ABM- Verträge, die vorerst auf ein Jahr befristet sind. Doch seien die Forschungen auf zwei Jahre angelegt, betont Pressesprecher Metzger. Die Ergebnisse sollen in einem Buch veröffentlicht werden.

Nicht im stillen Kämmerlein soll geforscht werden, vielmehr sollen die Bürger mit einbezogen werden. So ist für die Zeit nach Ostern ein Arbeitskreis geplant, in dem sich Interessierte regelmäßig informieren können. Im Herbst wollen die Forscher gemeinsam mit der Volkshochschule eine Vortragsreihe organisieren. In einem etwas allgemeineren Rahmen sollen dort Kommunalverwaltungen im Dritten Reich verglichen werden. Außerdem will das Bezirksamt Wilmersdorf die Zwischenergebnisse der Forschungen im Rathaus ausstellen. aha