Indisches Parlament aufgelöst Neuwahlen für Ende Mai angesetzt

 ■ Aus Neu Delhi B. Imhasly

Der indische Präsident Ramaswamy Venkataraman hat am Mittwoch das Parlament aufgelöst und Neuwahlen angeordnet. Ministerpräsident Chandra Shekhar nannte die letzte Maiwoche als Wahltermin. Damit ist die Unsicherheit beendet, die entstanden war, als Shekhar am 6. März zurücktrat, bevor das Parlament den Haushalt für 1991 verabschiedet hatte. Eine unmittelbare Parlamentsauflösung hätte die Zentralregierung zahlungsunfähig gemacht.

Am Montag und Dienstag wurde das Budget nun ohne Debatte verabschiedet — ein Zeichen, daß vor allem die Oppositionsparteien daran interessiert waren, mit der Ausrufung von Neuwahlen alle Versuche einer Neubelebung der bisherigen Minderheitsregierung zu beenden.

Die nun beendete neunte Legislaturperiode dauerte lediglich 15 Monate statt der regulären fünf Jahre, hatte aber dennoch zwei Regierungen: am 7. November 1990 verlor Ministerpräsident V.P. Singh (Janata Dal) die Vertrauensabstimmung, nachdem ihm die Bharatiya Janata Party (BJP) die — informelle — Unterstützung entzogen hatte. Er wurde von Chandra Shekhar abgelöst, der mit 62 Anhängern von Singh aus der Partei ausgeschlossen worden war und daraufhin mit Unterstützung der Kongreßpartei während rund hundert Tagen regieren konnte, bis ihn die ständige Kritik dieser Partei schließlich am 6. März bewog, das Handtuch zu werfen. Versuche während der letzten Tage, mit einer dritten Minderheitsregierung unter Führung der Kongreßpartei Neuwahlen zu verhindern, blieben rasch stecken. Die beiden erfolglosen Janata-Dal-Experimente scheinen den meisten Parteien vor Augen geführt zu haben, daß Minderheitsregierungen die Handlungsfähigkeit fehlt, um im rauhen Klima der indischen Parlamentsdemokratie zu überleben. Die Notwendigkeit ständig wechselnder Allianzen führte in den Augen der Öffentlichkeit zum raschen Zerfall der Legitimität. Kommentatoren wurden in den letzten Wochen nicht müde, diese „Perversion des Wählerwillens“ anzuprangern.