Albanische Polizisten schossen in die Menge

 ■ Aus Mazedonien R. Hofwiler

In der nordalbanischen Industriemetropole Shkodra sind gestern bei gewalttätigen Auseinandersetzungen mindestens drei Menschen erschossen worden. Obwohl in den staatlichen Medien eine Nachrichtenblockade verhängt wurde und es ausländischen Journalisten nicht getattet wurde, Shkodra aufzusuchen, scheint festzustehen, daß in der Nacht zum Dienstag Anhänger der oppositionellen „Demokratischen Partei“ mit Sympathisanten der siegreichen Kommunisten vor dem Stadttheater aufeinanderprallten, aus nicht ersichtlichem Grund eine Messerstecherei ihren Anfang nahm und alsbald paramilitärische Sondereinheiten der Polizei eingriffen und von der Schußwaffe Gebrauch machen. Bei den Toten handelt es sich um drei Funktionäre der oppositionellen Demokratischen Partei, darunter dem Parteivorsitzenden von Shkodra, Arben Droci. Nach Augenzeugenberichten sollen mindestens zwölf Schwerverletzte, darunter auch Kinder, in Krankenhäuser eingeliefert worden sein. Alle Zufahrtsstraßen seien blockiert, die Telefonverbindungen unterbrochen und Panzerwagen aufgefahren.

Zu den Auseinandersetzungen kam es, nachdem am Montag nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses Oppositionelle auf die Straße gingen, um gegen die ihrer Meinung nach gefälschten Wahlergebnisse zu protestieren. Auf einer Pressekonferenz der unterlegenen „Demokraten“, die nach dem neuesten Stand der Auszählung 26 Prozent der Stimmen gewannen und in allen Großstädten beachtliche Stimmenmehrheiten errangen — so auch in Shkodra — erklärte deren Sprecher Gene Pollo gestern in Tirana, überall wo seine Partei Wahlerfolge verbuchen konnte, sei selbst das Militär in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden. Selbst das staatliche Fernsehen bestätigte dies gestern in seiner Mittagssendung und zeigte Paramilitärische Einheiten, die in den Seitenstraßen der albanischen Hauptstadt Tirana Stellung bezogen. Das Bonzenviertel — der „Block“ — ist abgesperrt und nur mit Sondergenehmigung zu betreten.

Die gestrigen kommunistischen Tageszeitungen machten keinen Hehl daraus, daß die Freude über den überwältigenden Wahlerfolg der Genossen nicht ungetrübt ist. Die Tageszeitung 'Bashkimi‘, Hausbastion von Staats- und Parteichef Ramiz Alia, warnte, zwischen Land- und Stadtbevölkerung, zwischen Jugend und Erwachsenen könnte sich eine immer größere Kluft auftun, ohne Beteiligung der Opposition, die kaum ein Drittel aller 250 Parlamentssitze nach dem vorläufigen Endergebnis auf sich vereinen konnte, sei die Krise kaum zu meistern.

Während die „Demokratische Partei“ in ersten Stellungnahmen eine Zusammenarbeit mit den Kommunisten strikt ablehnen, wollen sie aber die Stimmung gegen die „Roten“ nicht unnötig anheizen. In den Hafenstädten Durres und Vlora versammeln sich erneut Tausende, die auf eine Gelegenheit warten wollen, ankommende Schiffe zu erklimmen und der Heimat für immer den Rücken zu kehren. .