Rathausbesetzung: Anklage wackelt

■ Aussagen von Polizeizeugen vor Ort widerlegt

Beim Ortstermin im Prozeß um die Rathausbesetzung vom April 1989 geriet die Anklage gegen Besetzer Jakob N. gestern zunehmend ins Wanken. Es stellte sich nämlich als unwahrscheinlich heraus, daß Jakob N. eine Schraubzwinge auf die anrückenden Polizisten herunterfallen ließ, wie ein Polizeizeuge ausgesagt hatte. Dem Anklagten wird im Prozeß vor dem Amtsgericht Bremen vorgeworfen, Hausfriedensbruch begangen und Widerstand gegen Polizisten geleistet zu haben. Die Besetzung der oberen Rathaushalle sollte im April 1989 die Forderung der hungerstreikenden RAF-Gefangenen nach Zusammenlegung in großen Häftlingsgruppen unterstützen.

Ein Polizeizeuge hatte erklärt, daß Jakob N.s Schraubzwinge angeblich „an seinem Kopf vorbei“ ins Erdgeschoß des Rathauses gefallen sei. Unter anderem mit dieser Aussage begründet Oberstaatsanwalt Hans-Georg von Bock und Polach die Anklage wegen „Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte“. Staatsanwalt und Richter mußten gestern beim Ortstermin jedoch einräumen, daß es kaum möglich ist, vom 1. Stock eine Schraubzwinge ins Erdgeschoß fallen zu lassen: Jakob N. hätte seine Schraubzwinge wie einen Boomerang im Bogen die geschwungene Wendeltreppe hinuntersegeln lassen müssen. Außerdem war die Treppe oben von den BesetzerInnen mit Platten abgedeckt worden, um die Polizei zu behindern, gab der Hausmeister zu Protokoll.

Und noch eine Aussage eines Polizeizeugen wurde durch die Örtlichkeiten widerlegt. Kurz vor der Festnahme Jakob N.s hätten sich jeweils drei bis vier Polizisten und DemonstrantInnen im 1. Stock gegenübergestanden und Jakob N. habe nach ihm getreten, so der Polizist. Wo sich das zugetragen haben soll, war dafür aber viel zu wenig Platz. Der Hausmeister des Rathauses gestern: Bis dicht an die Wände gedrängt hätten zur Zeit der Besetzung 500 Stühle in der Halle gestanden. Der Prozeß wird am kommenden Donnerstag fortgesetzt. och