SPORTKOLUMNE VON KLAUS NÜSSER
: Der Lockruf der Goldes

■ „Go West“ lautet die Devise der HandballerInnen aus Deutschlands Osten

Nicht alle, die gegangen sind und gehen werden, wollen dies auch. Aber die Umstände zwingen die besten Handballer der ehemaligen DDR, ihre Vereine zu verlassen und in Zukunft ihre Tore für gutes Geld, Ausbildungsplätze und Arbeitsstellen woanders zu werfen.

Handball gehörte zwischen Kap Arkona und Fichtelberg zu den beliebtesten und erfolgreichsten Sportarten. Volle Hallen, Weltmeistertitel der Frauen, Olympiasieg der Männer, zahlreiche auch international gutbesetze Turniere. Gezielte Auswahl und umfangreiche Förderung der Talente waren der Unterpfand für die Handballerfolge. Über Geld sprach niemand.

Es war einfach da, kam aus dem Staatssäckel oder von den Betrieben. Die Handballer waren wie Spitzenathleten sozial abgesichert, eine Arbeitsstelle nach Beendigung der sportlichen Laufbahn kein Problem. Während der aktiven Zeit konnten sie sich voll auf ihren Sport konzentrieren.

Außerdem sorgte das DDR-Sportsystem für die Konzentration der besten Handballer in den Sportklubs. So durften lange Jahre nur Klubspieler in der Auswahl stehen. Die Klubangehörigen hatten die besten Bedingungen und jeder Verein sein abgegrenztes Einzugsgebiet, aus dem er die jüngsten Talente rekrutierte. Sie blieben in der Regel dort bis zum Ende ihrer Karriere. Das ist nun vorbei.

Die Vereinsmannschaften in den alten Bundesländern waren besonders stark bei den Männern. Mit viel Geld wurden internationale Stars gekauft. Das hatte zur Folge, daß die besten Teams wie VfL Gummersbach europäische Spitzenmannschaften waren, die Männer-Auswahl der ehemaligen BRD aber in die C-Gruppe abrutschte. So sicherte die Ex-DDR-Vertretung dem deutschen Handball den Startplatz bei den Olympischen Spielen 1992 und der A-WM.

Bei den Frauen kam es bei der A-Weltmeisterschaft im Dezember 1990 im Spiel um Platz drei zum letzten Duell Ost- gegen Westdeutschland im internationalen Sport überhaupt. Überraschend gewannen die Damen aus Leipzig, Rostock, Frankfurt, Magdeburg und Berlin. Unerwartet deshalb, weil nicht mehr die allerbesten auf dem Hallenparkett standen, weil sie inzwischen in den Westvereinen aktiv war.

Jede westliche Bundesliga-Spitzenmannschaft hat sich mit Ostimporten — nicht nur aus der DDR — verstärkt. So verloren in dieser Saison der SC Magdeburg und der BSV Frankfurt, früher ASK, gegen die Frauenteams aus Buxtehude und Leverkusen. Bei der früheren Leistungsstärke der Vereine war das undenkbar, heute aber durch den Ausverkauf möglich.

Allein der ASK büßte bis auf Katrin Mietzner alle Stammmspielerinnen ein. Das höhere Leistungsniveau in Ostdeutschland lockte die Einkäufer in Scharen gen Osten. Und sie fanden gute Aufnahme, denn jetzt sind die Voraussetzungen für Spitzenhandball hier kaum noch gegeben. Sponsoren sind ganz schwer zu finden. Die Ostbetriebe kämpfen ums Überleben, brauchen selbst jede Mark, und die potenten Westunternehmen fördern lieber Vereine in ihrer Heimat. So erliegen die besten Handballer den lukrativen Angeboten aus dem alten Bundesgebiet.

Stefan Hauck, Kapitän des letzten DDR-Meisters bei den Männern, verläßt seinen Klub HC Preußen nun doch, weil so viele Spieler weggegangen sind, daß Spitzenhandball nicht mehr möglich ist. Er wollte nicht, mußte am Ende aber doch. Und wo nun Klasse fehlt, gibt es erst recht kein Geld mehr. So stirbt der Handball im Osten.

Die Zukunft des deutschen Handballs ist damit in Gefahr, denn in den alten Bundesländern ging die Zahl der Nachwuchsmannschaften von 20.793 Teams auf 16.680 zurück und der Osten kann bald keine Talente mehr liefern. So bleibt die Hoffnung, daß auch andere Vertretungen solch eine Unterstützung wie die Männermanschaften des SC Magdeburg erhalten. Dort bleibt man zusammen, verstärkt sogar noch, so daß man in der Bundesliga eine gute Rolle spielen wird. Und das hoffentlich lange, aber der Lockruf des Goldes verstummt ja nie.