Südkoreanischer Innenminister tritt nach Tod eines Studenten zurück

Seoul (taz) — Das brutale Vorgehen der südkoreanischen Polizei, die einen jungen Studenten bei einer Demonstration in Seoul zu Tode geprügelt hatte, schlug am Wochenende hohe innenpolitische Wellen. Südkoreas Regierung, von Opposition und Dissidentenkreisen gleichermaßen für die Tat verantwortlich gemacht, geriet unter Handlungszwang. Noch am späten Samstag feuerte Staatschef Roh Tae Woo seinen Innenminister Ahn Eung Mo und hievte einen Ex-Geheimdienstler ins freigewordene Amt.

Die zivile Einheit zur „Aufstandsbekämpfung“, forderte Kim Dae Jung von der oppositionellen Neuen Demokratischen Union (NDU), müsse sofort aufgelöst werden. Er sei wütend, wie wenig sich die Regierung aus menschlichem Leben mache und welche Unmenschlichkeit die Polizei an den Tag gelegt hätte. Wegen ihrer Brutalität gilt die Truppe unter Studenten als die meistgehaßte Polizeieinheit.

Noch am Samstag ließ die Seouler Staatsanwaltschaft vier verdächtige Polizisten verhaften. Ein fünfter, der an der brutalen Aktion beteiligt gewesen sein soll, wurde am Sonntag festgenommen. Auch für den Einsatz verantwortliche Polizeioffiziere mußten ihren Hut nehmen. Doch in der erzürnten südkoreanischen Öffentlichkeit ist damit niemand zufriedengestellt. „Staatschef Roh muß sich entschuldigen“, verlangte Kim Dae Jung. Er forderte außerdem die Entlassung aller Kabinettsmitglieder.

Für den 20jährigen Tang Kyong Dae war es die zweite Teilnahme an einer Demonstration. Nach Angaben von Augenzeugen prügelten die Polizisten mit Eisenstangen auf den Hochschüler ein, der weder Brandbomben noch Steine geworfen hatte. Auf dem Weg ins Krankenhaus starb Kyong an seinen schweren Kopfverletzungen. Damit kam in Südkorea zum ersten Mal ein Student auf offener Straße unter den Hieben der Polizei und den Augen seiner Kommilitonen ums Leben. An fast allen Hochschulen in der Hauptstadt protestierten Studenten am Wochenende gegen das Vorgehen der Polizei. Peter Lessmann