Von der Kalaschnikow zur Spielpistole

■ DDR-Rüstungsbetriebe haben Konversion mit gutem Erfolg überstanden/ Ehemaliger Lizenzhersteller von Kalaschnikows liefert nun Spezialwerkzeuge — zum Beispiel an Brandenburger Spielwaren GmbH

Chemnitz. Der abrupte Eintritt in die Marktwirtschaft hat manches plangewohnte Unternehmen der Ex- DDR schwer gebeutelt. Der unvermittelte Abbruch der Rüstungsproduktion traf besonders erfolgverwöhnte volkseigene Betriebe wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Die heutige Spezialwerkzeuge und Hydraulik GmbH (SWH) in der erzgebirgischen Gemeinde Wiesa hatte beides zu verkraften. Der ehemalige Lizenzhersteller der Maschinenpistole Kalaschnikow stand im Sommer vorigen Jahres plötzlich vor dem Nichts.

Nicht einmal ein Jahr später ist die gewandelte Firma gewissermaßen „aus dem Schneider“. Ohne Anschubfinanzierung, aber mit viel eigener Initiative suchte sie Kontakte zu Firmen in den alten Bundesländern und Zugang zum Markt. Werkzeuge, Hydraulik und hochpräzise Lagerungen stehen auf dem Fertigungsprogramm. Dafür kamen dem Unternehmen hochqualifiziertes und motiviertes Stammpersonal, modernste computergesteuerte Zentren und Bearbeitungsmaschinen und die Kooperation mit der Firma Wünsch im Allgäu zugute.

Inzwischen hat der erzgebirgische Betrieb einen festen Kundenkreis, zu dem Grundig, Citroen-Messian-Durand und die Flugzeugwerft Dresden gehören. Zur jüngsten Ausstellung in Wiesa kamen mehr als 60 Unternehmen aus alten und neuen Bundesländern, von denen zwei Drittel entweder ihre Absicht zur Zusammenarbeit bekundeten oder schon Vereinbarungen trafen. So orderte die Brandenburger Spielwaren GmbH Schnittwerkzeuge für 700.000 DM noch für dieses Jahr. Eine Gießerei in Aue, die wiederum mit der Automobilindustrie kooperiert, gab die Bearbeitung von Kleinserienteilen in Auftrag, die 350.000 Mark bringt.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Konversionsexperte Manfred Opel äußerte auf der Ausstellung, er habe schon viele ehemalige Rüstungsbetriebe in der Ex-DDR gesehen, noch keiner habe es so weit gebracht wie dieser. Zur endgültigen Stabilisierung gehöre aber noch mehr. Bayerns Ministerpräsident Max Streibl nannte die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Wünschsysteme, die als kleine Firma zu den führenden High-Tech- Herstellern in den Altbundesländern gehört, beispielhaft.

Die Philosophie der Wiesaer Manager wird vom Grundsatz bestimmt, nicht auf andere zu warten, sondern selbst etwas zu tun, um aus der Bedrängnis zu kommen. So ist es laut Verkaufschef Siegfried Lisker „ein gutes Gefühl, wenn man nicht künstlich hochgehalten wird“ und schwarze Zahlen schreibt. Allerdings fielen der Wende im Betrieb 40 Prozent der ehemals über 1.000 Arbeitsplätze zum Opfer, ein schmerzhafter Einschnitt.

Auch im Osthandel sieht die Unternehmensleitung eine Zukunft. Die Beziehungen sollen für bessere Zeiten „am Köcheln“ gehalten werden. Nach Überwindung der jetzigen Schwierigkeiten will das Unternehmen zu den ersten gehören, die wieder einsteigen.

Zunächst beteiligt sich die Firma am Strickmaschinenbau, der nach mehrmonatiger Unterbrechung wieder für die UdSSR produzieren kann. Übereinstimmung der Interessen mit Wünsch: Auch die bayerische Firma drängt nach Osten, unter anderem wurden mit der Leningrader Universität Kontakte geknüpft. Michael Graeme (dpa)