Gomolka setzt sich durch

■ Mecklenburgische Regierung votiert für Nordostdeutschen Rundfunk/ Landtag soll im Juli entscheiden/ Thüringen ratifiziert Vertrag über Mitteldeutschen Rundfunk

Schwerin (dpa/ap) — Die Regierung von Mecklenburg-Vorpommern hat sich am Mittwoch gegen die Stimmen der mitregierenden FDP für eine Rundfunkanstalt Nordostdeutscher Rundfunk (NOR) gemeinsam mit Berlin und Brandenburg entschieden. Dies teilte Ministerpräsident Alfred Gomolka (CDU) nach einer Kabinettssitzung vor der Landespressekonferenz in Schwerin mit. Gomolka ließ offen, ob neben den beiden FDP-Ministern auch christdemokratische Kabinettsmitglieder gegen den NOR stimmten. Die FDP- Fraktion — Befürworter einer Partnerschaft mit den Ländern des Norddeutschen Rundfunks (NDR) — erklärte, sie werde einem NOR-Vertrag im Parlament nicht zustimmen. Im Schweriner Landtag verfügen CDU und FDP zusammen nur über eine knappe Mehrheit.

Der Kabinettsentscheidung ging ein monatelanges Tauziehen zwischen den beiden Regierungsparteien voraus. Gomolka sprach in seiner Begründung für die NOR-Entscheidung von „sich ergänzenden Interessen“ der drei beteiligten Länder. Der NOR biete eine „günstigere Basis für die Gestaltung eigenständiger Programme“ sowie finanzielle Vorteile für das nördlichste neue Bundesland. Der Landtag soll über den NOR-Staatsvertragsentwurf in einer Sondersitzung Anfang Juli „geheim und ohne Fraktionszwang“ abstimmen. Der Regierungschef geht von einer „knappen Entscheidung“ aus.

Der stellvertretende Ministerpräsident und Sozialminister, Klaus Gollert (FDP), betonte, die Koalition mit der CDU werde an der Rundfunkfrage nicht scheitern. Die FDP halte allerdings an den positiven Sachargumenten für den NDR fest. Dazu zähle in erster Linie die größere ökonomische Kraft und die große Anzahl von Arbeitsplätzen für Mecklenburg-Vorpommern. Nach Meinung Gomolkas und der Mehrheit des Kabinetts bietet eine Beteiligung an dieser Anstalt aber nur in der Startphase finanzielle Vorteile.

NDR-Intendant Plog erklärte, der Kabinettsbeschluß sei „nicht überraschend“. Nach NDR-Informationen sei die Entscheidung zugunsten des NOR zustandegekommen, weil Ministerpräsident Gomolka die Rundfunkneuordnung mit der Vertrauensfrage an die CDU-Minister gekoppelt habe. Gomolka „hat eine entsprechende Entscheidung des Kabinetts nunmehr offensichtlich erzwungen“. Die Verhandlungen mit den NDR-Staatsvertragsländern seien darüber hinaus nicht zu Ende geführt worden.

Der stellvertretende Berliner Senatssprecher Eduard Heußen begrüßte den Schweriner Kabinettsbeschluß. Es bestehe Hoffnung, daß noch vor der Sommerpause durch die Parlamente eine Entscheidung für die Drei-Länder-Anstalt getroffen werde.

In Brandenburg bezeichnete die Regierungspartei SPD den Schweriner Entschluß als „nicht sensationell“. Siegfried Keiluweit, Pressesprecher der sozialdemokratischen Landtagsfraktion, sagte, vor allem die FDP-Gegenstimmen gäben ihm zu denken, denn damit bestehe die Gefahr, daß der NORA-Staatsvertrag nicht im Landtag verabschiedet werde. Die SPD wolle sich dafür einsetzen, daß Brandenburg weiterhin „zweigleisig“ fahre, also sowohl das NOR-Projekt weiterverfolgen als sich auch die Möglichkeit zur Gründung einer eigenen Rundfunkanstalt offenhalten.

Während im Norden die Weichen für den NOR gestellt sind, hat im Süden der Thüringer Landtag als erstes Parlament den Staatsvertrag für den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) ratifiziert. In namentlicher Abstimmung votierten 51 Abgeordnete für und 34 gegen den Gesetzentwurf. Der öffentlich-rechtliche Sender soll ab 1992 in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt die Arbeit aufnehmen. Der Aufbau des MDR ist zum 1.Juli dieses Jahres vorgesehen.

SPD-Fraktionschef Gerd Schuchardt forderte vergeblich eine Vertagung der Entscheidung: „Lieber ein gutes Gesetz, einen guten MDR- Vertrag etwas später, als einen MDR mit Geburtsfehlern.“ Er kritisierte, daß der Vertrag nach der Erarbeitung durch die Staatskanzleien nicht in den Ausschüssen des Parlaments beraten wurde. Ein Sprecher der SPD- Fraktion kündigte Verfassungsklage an. Gerhard Wien von Demokratie Jetzt kritisierte, daß die Staatsferne des Rundfunks „in keiner Weise gewährleistet“ sei.

Der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Jörg Schwäblein, nannte den MDR-Staatsvertrag „eine einmalige Chance für einen Neuanfang in Hörfunk und Fernsehen“. Durch das Vertretungsverhältnis von 4:3:3 zwischen Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt im Rundfunkrat sei Thüringen besser vertreten als ihm nach seiner Einwohnerzahl eigentlich zukomme. Dies sei ein Verhandlungserfolg der Staatskanzlei. Mit der Ratifizierung sei die „eigentliche Aufgabe der Politik erfüllt“.