Ringen um die Weiblichkeit

Brustamputationen verändern radikal die Lebensqualität einer Frau/ Professor Heinz Bohmert und sein Team vom Münchner Klinikum Großhadern entwickelten eine brusterhaltende Operationstechnik mit besseren kosmetischen Ergebnissen  ■ Von Hanna Rheinz

In den letzten Jahren haben Brustkrebserkrankungen unter jüngeren Frauen zugenommen. Statistische Erhebungen zeigen, daß sieben Prozent aller Frauen an Brustkrebs erkranken. Das Risiko ist allerdings bei Spätgebärenden höher als bei Frauen, die bereits vor dem 27. Lebensjahr ihr erstes Kind bekommen.

Wenn bei einer Frau ein bösartiger Brusttumor diagnostiziert wurde, gab es noch bis vor einigen Jahren meist nur eine Behandlungsmethode: die radikale Entfernung der Brust und Lymphbahnen unter den Achseln. Nur auf diese Weise, hieß es, könne die Ausbreitung von Krebszellen und damit die Bildung von Metastasen (Tochtergeschwulsten) verhindert werden.

Ein Wandel setzte erst ein, als Onkologen und Chirurgen begriffen, daß ein wesentlicher Faktor des Therapieerfolges die Lebensqualität, die eine Patientin nach der Operation noch aus ihrem Dasein gewinnen kann, ist. Eine Mastektomie (Brustamputation) jedoch führt zu einer völligen Veränderung ihres Lebens: Für jede Frau bringt sie eine erhebliche seelische Belastung und Erschütterung ihrer Identität, denn „Weiblichkeit“ scheint untrennbar im klassischen Organ der Weiblichkeit, der Brust verkörpert. Fehlt sie, erleben sich viele Frauen als unweiblich. Soziale Ängste entstehen, etwa sich öffentlich im Badeanzug zu zeigen, Ehe und Partnerschaft sind belastet oder zerbrechen, ein geringes Selbstwertgefühl und Kontaktängste hindern Alleinlebende daran, neue Freundschaften zu suchen.

„Ein möglichst intaktes weibliches Ausehen“

Die Hälfte aller Patientinnen, die an Brustkrebs erkranken, schätzt Professor Heinz Bohmert vom Münchner Klinikum Großhadern, könne mit brusterhaltenden Maßnahmen behandelt werden. Er entwickelte neue Methoden, die Brust nach einer Entfernung des tumorösen Gewebes zu rekonstruieren. Ziel sei, „ein möglichst intaktes weibliches Aussehen zu erhalten, ohne aber die lokale Tumorkontrolle und die kurative Chance der Patientin zu gefährden“.

Das brusterhaltende Behandlungskonzept erfordert die enge Zusammenarbeit von Chirurgen und Gynäkologen, aber auch Pathologen, die noch während der Operation feststellen, welche Bereiche des Gewebes entfernt werden müssen, um das Krebswachstum aufzuhalten und welche für die Rekonstruktion der Brust erhalten werden können. Die Radiologen entwerfen dann den Be- handlungsplan.

Wenn eine radiologische Nachbehandlung unterbleibt, bilden sich einer amerikanischen Studie zufolge bei etwa 30 Prozent der Patientinnen in einem Zeitraum von fünf Jahren Metastasen. Daher empfehlen Ärzte nach der Operation eine Strahlenbehandlung: Durch sie werde das Risiko des Ausbreitens von Tochtergeschwulsten auf sechs Prozent verringert.

Bei der brustherhaltenden Technik werden lediglich die isolierte Geschwulst und vom gesunden Gewebe zusätzlich noch zwei Zentimeter zur Sicherheit entfernt. Um der Patientin eine zweite Narkose zu ersparen, wird während der Operation die Größe und Ausdehnung des Tumors gemessen. Er darf nicht größer als zwei Zentimeter und nicht mit dem Muskelgewebe verwachsen sein. Während der Operation achtet der Chirurg darauf, die Schnitte so zu führen, daß ein kosmetisch befriedigendes Ergebnis erreicht wird: Während früher strahlenförmig geschnitten wurde, werden bei den Rekonstruktionsverfahren bogenförmige Hautschnitte bevorzugt. Nach dem Entfernen des Tumors wechseln die Operateure ihre Handschuhe und das Operationsbesteck, um eine ungewollte Ausstreuung von Tumorzellen während der Brustrekonstruktion zu verhindern. Das Tumorbett, also der Geschwulstbereich, wird anschließend bestrahlt.

Allerdings ist es nicht immer ausreichend, eine brusterhaltende Operationstechnik anzuwenden. Als weitere Alternative zur Brustamputation kann daher die modifiziert radikale Mastektomie (Brustamputation) gelten.

In diesem Fall muß jedoch die Brust entfernt werden; dies ist notwendig, weil der Tumor ausgedehnt und verästelt gewuchert ist. Doch um eine Verunstaltung der weiblichen Körperformen zu verhindern, wird nach dem Entfernen der Geschwulst eine Rekonstruktion des äußeren Erscheinungsbildes der Brust versucht. Alle Eingriffe sind, sofern die Patientin dies wünscht, während einer Operation möglich. Um den Busen wiederherzustellen, verwenden die Chirurgen den verbliebenen Hautlappen und die Brustwarzen. Gegebenenfalls verlagern sie Muskeln aus dem Brust- und Schulterbereich oder setzen Silikonkissen ein, um den Busen, der zuvor fotografiert wurde, nachzubilden. Der Symmetrie kommt dabei besondere Bedeutung zu.

Krankenkassen geizen bei der Mammographie

Die Chirurgen der Forschergruppe in Großhadern berichten, daß in immerhin 80 bis 90 Prozent der brusterhaltenden Operationen ein „exzellentes kosmetisches Ergebnis“ erreicht werden kann.

Jene Patientinnen, bei denen es zu Deformierungen, zu schmerzhaften Verhärtungen oder aber zu starker Pigmentierung der Haut kam, müssen sich allerdings einer weiteren plastisch-chirurgischen Operation unterziehen. Patientin und Arzt hoffen darauf, damit die kosmetischen Mängel zu korrigieren. Der Erfolg der beiden Verfahren wird daran gemessen, ob sich wieder neue Tumore bilden. Dies ist bei der brusterhaltenden Therapie bei nur fünf Prozent der Patientinnen eingetreten. Statistische Auswertungen zeigen, daß die Langzeitergebnisse beider Methoden gleich gut sind.

Onkologen raten Frauen ab dem 35. Lebensjahr, ihre Brust regelmäßig nach Knoten abzutasten und sich alle zwei Jahre mammographisch untersuchen zu lassen. Einziges Handikap: Die Mammographie ist von den Krankenkassen noch nicht als routinemäßige Vorsorgeuntersuchung zugelassen und wird nur bezahlt, wenn der Arzt zuvor eine Verdachtsdiagnose stellte. Die Strahlenbelastung durch die Untersuchungen wird von den Ärzten als unbedenklich eingestuft.

Vieles spricht daher für die Routine-Mammographie im Rahmen der Krebsvorsorge. Obwohl bei vielen Krebsarten immer wieder erstaunlich viele Patientinnen, die regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen gehen, durch das Raster fallen, um schließlich doch mit einer Krebs- Diagnose im fortgeschritteneren Stadium nach Hause zu kommen, ist der Vorteil einer frühzeitigen Diagnose eines Mammakarzinoms (Brustkrebs) offenkundig. Denn je früher die noch kleine Geschwulst entdeckt wird, desto größer ist die Chance, daß eine brusterhaltende Operation oder doch zumindest eine modifiziert radikale Mastektomie mit Brustrekonstruktion ausreichen wird, um den Krebs einzudämmen.