OP-Tisch nach Kurdistan

■ Die bisher größte Berliner Hilfsaktion für die Kurden begann gestern/ Sechs Ärzte und sieben Tonnen Material auf dem Weg in die Krisenregion

Berlin. Eine komplette Einrichtung für einen Operationssaal und sechs Ärzte hat die Berliner Ärztekammer gestern nach Kurdistan geschickt. Die dritte Aktion dieser Art, die von Spenden aus der Berliner Bevölkerung finanziert wird, ist zugleich die umfangreichste. Auf den Erfahrungen der bisherigen beiden Projekte der Ärztekammer aufbauend, soll jetzt eine längerfristige Aktion in den kurdischen Wohngebieten die Folgen des Golfkrieges etwas lindern.

Der Zielort Diyana liegt außerhalb des amerikanischen Protektorats im Irak, kein Amerikaner könne den Ärzten zur Hilfe eilen, bemerkte ein Mediziner. Zur Zeit befänden sich dort allerdings ausschließlich Kurden. Geschossen wird trotzdem noch, hat sich der mitfliegende Arzt Werner Adam von einer Ärztegruppe aus Brandenburg erzählen lassen: Interne Konflikte zwischen verschiedenen Kurdengruppen sind ein Grund, zudem habe fast jedes Kind eine Pistole. Auch liegen noch überall neben den Straßen Minen herum.

Das von den Irakern bei ihrem Abzug zerstörte Militärlazarett in Diyana wollen die Berliner in vier bis sechs Wochen wieder nutzbar machen. Bei den bisherigen beiden Aktionen der Ärztekammer mußte noch in Zelten operiert und behandelt werden. Statt in den Flüchtlingslagern wollen die Berliner jetzt in den alten Wohnvierteln der Kurden im Norden Iraks helfen.

Etwas Angst war gestern am Flughafen schon zu spüren, bevor die Berliner in die Turbo-Prop-Maschine einstiegen. Der 42jährige Werner Adam gibt das auch unumwunden zu, aber er will »helfen, wo es am nötigsten ist«. Hellauf begeistert war er nicht, als er gefragt wurde, ob er mitmachen würde. Bei der ersten Anfrage der Ärztekammer lehnte der Anästhesist noch ab, dann ließ er sich aber doch überzeugen.

Hauptarbeit der Kinderärzte, Anästhesisten und Chirurgen dürfte die Behandlung von vereiterten, älteren Wunden sein. Hinzu kommen neue Wunden und Brandverletzungen durch die Minen, die noch immer Menschen zerreißen. Aber auch gegen den dort häufig tödlichen Durchfall haben die Berliner Ärzte in ihren sieben Tonnen Gepäck Medikamente. »Operieren können wir alles«, so Werner Adam, doch das große Problem sei dann die Nachsorge, zum Beispiel nach einer Gallenoperation. Wenn nötig, wollen die Berliner auch Kurden in der Krankenversorgung ausbilden.

Eines der größten Probleme dürfte die 150 Kilometer lange Fahrt von dem Flughafen in der Türkei nach Diyana sein, meint Adam. Wenn die Ärzte keinen Hubschrauber von den Amerikanern zur Verfügung gestellt bekommen, müssen die Ärzte die Ausrüstung im Wert von knapp 200.000 Mark mit Lastwagen durch das bürgerkriegsähnliche Land fahren. Rochus Görgen