Einrad- Sporkrobatik

■ EinradlerInnen von nah und fern trafen sich im Uni-Sportturm

Der Drahtesel wirkt ein wenig gerupft: Er besteht aus nur einem Rad, einem bananenförmigen Sattel und zwei Pedalen, die direkt an der Radnarbe befestigt sind. Keine Klingel, keine Kette, weder Lenker noch Bremse — das Rad dient ausschließlich als Sportgerät für die aufstrebende Zunft der EinradfahrerInnen.

Einige hundert davon gibt es mittlerweile in Europa, ungefähr achtzig waren am Wochenende in der Bremer Uni, um mit ihren eigentümlichen Rädern am „1. Bremer Einrad-Treffen“ teilzunehmen. Organisiert hatte die Zusammenkunft ein echter Insider: Jens Stemminger, selbst ein furioser Fahrer und Leiter der Einradkurse an der Hochschule. Er unterweist die einradlerInnen nicht nur in schnöder Geradeaus- Fahrerei, sondern bringt ihnen auch elegantes Kurvenfahren, Pirouetten und Figurenfahren bei.

In Bremen boomt der exotische Sport, mittlerweile hat sich eine richtige „Einrad-Szene“ entwickelt: „Als ich vor drei Jahren angefangen habe, gab es in der Uni gerade mal zwei Räder“, erinnert sich Stemminger. „Jetzt haben wir achtzehn Stück, und die Anfängerkurse sind immer voll bis obenhin!“ Schwer zu erlernen,

hier bitte

die Einradlerin

mit Ball

Einrad und ein BallFoto: Tristan Vankann

das sagen alle Aktiven, sei das Einrad-Fahren nicht. Einzige Voraussetzung: Sicheres Balancegefühl, sonst haut es einen schnell mal aus dem Sattel. So ein Einrad ist schließlich nach allen Seiten sturzgefährdet.

Nicht nur junge SportlerInnen reizt die Herausforderung, auch

reifere Radler wirbelten grazil durch die Uni-Halle. Der älteste heißt Klaus Kaster, ein 53jähriger Düsseldorfer. Seitdem er vor knapp zwei Jahren erstmals den schwankenden Sattel erklommen hat, läßt die Begeisterung nicht mehr nach: „Man bekommt auf diesem Rad ein unvergleichliches Gespür für die Ausgewogenheit, das sich bestimmt auch in den seelischen Bereich überträgt.“

Andere Einrad-Fahrer sind weniger an Artistik oder geistiger Erbauung interessiert, ihnen steht der Sinn eher nach sportlichem Wettkampf: Sie betreiben Einrad-Hockey! Zwei Mannschaften a fünf Spieler treten dabei gegeneinander an, ein jeder bewehrt mit Rad und Hockeykelle. Weil das Spiel genauso spannend ist wie Eishockey, dabei aber nicht halb so brutal, versuchten sich in Bremen fast alle Angereisten in der neuen Disziplin. Einer ragte heraus: der Mohnheimer Sportstudent Stefan Schumacher, eine gelungene Mischung aus Radstar Greg LeMond und Eishockey- Heros Wayne Gretzky. Faszinierend anzusehen, wie sicher er auf dem widerborstigen Einrad fährt und wie geschickt er dabei den Ball führt. Mit den slalomfahrenden Einrad-Artisten hat Schumacher wenig gemein. „Ich sehe das als Leistungssport an und wünsche mir sogar eine Bundesliga, um das Spielniveau noch zu steigern“, betont er.

Organisator Stemminger war zufrieden mit dem Verlauf der Veranstaltung. Die Stimmung war prächtig, eine Wiederholung im nächsten Jahr ist geplant, „vielleicht mit noch mehr Teilnehmern“ — diesmal waren sogar auch schon Rad-Enthusiasten aus Amsterdam und Klagenfurt angereist. Stemminger jedenfalls wird sich auch weiterhin ins Zeug legen für seinen Sport, zu dem er eine fast libidinöse Beziehung unterhält: „So ein Einrad“, schwärmt er, „macht mich einfach total an.“ Holger Gertz