Eine Nummer zu klein

■ Heute abend will die WEU über die Entsendung einer Friedenstruppe entscheiden

Brüssel (taz) — Vor Jahresfrist noch als rühriger Chef eines historischen Abfallprodukts belächelt, steht van Eekelen heute abend im Rampenlicht des öffentlichen Interesses. Schließlich soll der WEU-Generalsekretär für die EG die heißumfochtenen Kastanien aus dem jugoslawischen Feuer holen. Auf Antrag Bundesaußenminister Genschers und seines niederländischen Kollegen van den Broek wollen die WEU- Außenminister ihn bei ihrem Treffen in Den Haag mit der Lösung des Jugoslawien- Konflikts beauftragen.

Schon im Juli hatte van Eekelen vorgeschlagen, einige hundert Soldaten in den zerfallenden Vielvölkerstaat zu schicken. Bereits damals sah er die Chance gekommen, seine Organisation aus dem Windschatten der übermächtigen Nato herauszumanövrieren. Sein neuester Vorschlag, der vom italienischenn Außenminister De Michelis unterstützt wird: 30.000 leichtbewaffnete WEU-Truppen sollen die Kämpfer auseinanderhalten. Doch wie kann das funktionieren? So unscheinbar wie ihr Name ist nämlich die ganze Organisation: Nicht einmal über den Standort ihres Hauptquartiers herrscht Klarheit — London, Paris oder demnächst Brüssel. Zudem verfügt das 1954 gegründete europäische Verteidigungsbündnis, in dem neun der zwölf EG-Mitglieder vertreten sind (Irland, Dänemark und Griechenland fehlen), über keine eigenen Truppen, sie müßten von der Nato ausgeliehen werden. Dazu wiederum wäre eine Zustimmung der 16 Mitgliedsländer, insbesondere der US-Regierung, nötig. Und im Weißen Haus ist, golfkriegsbedingt, die Lust zum Mitmachen noch gedämpft.

Im übrigen, so argumentiert die britische Regierung, steht die erforderliche Zustimmung aller Kriegsparteien noch aus: Von serbischer Seite wurde bereits abgewunken. Diese Einwilligung ist für die meisten EG-Regierungen conditio sine qua non, genauso wie ein funktionierender Waffenstillstand.

Weder der deutsche Außenminister, noch seine Kollegen aus Großbritannien oder Frankreich halten unter den gegenwärtigen Umständen die Entsendung von Truppen für sinnvoll. Statt von 30.000 ist deswegen inzwischen allenfalls von einigen tausend Soldaten zum Schutz der etwa 500 EG-Beobachter die Rede. Doch auch eine solche Initiative stößt auf Widerstand der Briten. 150.000 Soldaten wären mindestens erforderlich, um den Kämpfen in Jugoslawien ein Ende zu bereiten, ließ die britische Regierung verlauten. In der Downing Street will man vermeiden, wie im Golfkrieg die Hauptlast der Friedensmission zu tragen. Deshalb ist dort auch zu hören, die Deutschen sollten lieber stillbleiben, solange sie sich unter Berufung auf das Grundgesetz an Friedensmissionen nicht selber beteiligen. Michael Bullard, Brüssel