Tatsachen schaffen gegen die USA

■ Brasilien will mit dem Mercosur seine Einverleibung in den US-Hinterhof verhindern

Brasilia (taz) — Vor einem Jahr hatte US-Präsident George Bush seine „Initiative der Amerikas“ ins Leben gerufen, mit der er den gesamten Kontinent, von Alaska bis Feuerland, in eine Freihandelszone verwandeln wollte. Von dieser Erweiterung des Marktes hätten vor allem die US-Konzerne profitiert. Die Industrie des Amazonasstaates hätte die Bush-Initiative in arge Bedrängnis gebracht; mit der eiligen Gründung des Mercosur schaffte Brasiliens Regierung Tatsachen.

Um Washington zu beschwichtigen, schlossen die Mercosur-Mitgliedstaaten Ende August mit der US-Regierung das sogenannte „Vier-plus-eins-Abkommen“. Darin bekunden sie ihren politischen Willen zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit und gründeten einen gemeinsamen „Rat für Handel und Investition“. Doch außer schönen Worten wie „Völkerfreundschaft“ und „Kooperationsgeist“ wollte Brasilien den USA keine weiteren Zugeständnisse machen.

Die Regierung von Fernando Collor de Mello hat sich ein hochfliegendes Ziel gesteckt: Sie denkt an einen mächtigen Block des Südens, dem sich in naher Zukuft ein afrikanisches Land anschließen soll: Südafrika. Vor wenigen Wochen hatte Nelson Mandela Brasilien besucht und war mit allen Ehren, wie ein hoher Staatsgast, empfangen worden. Die Begrüßung, so hieß es in der Presse, war herzlicher als die des US-Präsidenten. Und das war sicher kein Zufall. Die Collor-Regierung sieht in Mandela den künftigen Präsidenten Südafrikas und einen Partner für ein südatlantisches Bündnis. Dabei ist der Mercosur nur der Anfang, hatte der brasilianische Präsident bei der Unterzeichnung verkündet: „Wir brauchen einen gemeinsamen Markt des Südens, um das verlorene Jahrzehnt zu überwinden.“

Vom Fall der Zollschranken wird vor allem Brasilien profitieren. In den kleinen Ländern werden die unproduktiven Fabrikationsstätten geschlossen werden. Dort haben nur wenige Branchen Überlebenschancen: in Paraguay Soja, Mais und Baumwolle, in Uruguay die Leder- und Milchverarbeitende Industrie. Alles andere wird einem nie dagewesenen Konzentrationsprozeß zum Opfer fallen. „Nestlé — was sollen die in Uruguay anstellen?“ fragt Carlos Langwagen, Deutsche-Bank- Repräsentant in Montevideo. „Und noch hat Philipp Morris hier eine Fabrikation, doch die werden sie schließen, wenn sie den hiesigen Markt auch aus Brasilien befriedigen können.“ Gaby Weber