GASTKOMMENTAR
: Ampel und Schwampel

■ Die Bremer Koalitionsverhandlungen sind undramatisch und doch richtungsweisend

Die Grünen sind auf dem Weg zurück in den Bundestag. Ohne Geschrei nehmen sie ihren selbst erkämpften und mittlerweile akzeptierten Platz im Vier-Parteien-Gefüge ein. In aller Selbstverständlichkeit wird in Bremen die zweite bundesdeutsche Ampelkoalition auf den Weg gebracht — den Segen spendete Lambsdorff höchstselbst. Zwar wurde das Angebot des Bremer CDU- Spitzenkandidaten Nölle zur schwarz-gelb-grünen Ampel — von den Bremer Grünen „Schwampel“ genannt — abgelehnt, aber noch vor der Senatsbildung wird es eine gemeinsame Initiative von CDU, Grünen und FDP geben, um die parlamentarischen Rechte der Opposition zu stärken.

In den Verhandlungen erwiesen sich die Gegensätze zwischen FDP und Grünen als größer und zugleich aber geringer als angenommen. Zwischen den marktliberalistischen, aber moralisch denkenden Jungunternehmern und der ökologisch drittweltbewußten Junglehrerin verfließen die Abgrenzungen in der politischen Praxis. Es erweist sich als Segen, daß es für das gewohnte sozialdemokratische Verteilungstheater einfach kein Geld mehr gibt. So muß sich die SPD ins Unvermeidliche fügen und Sparen mit ökologischen und liberalisierenden Reformen verbinden. Daß die SPD als Regierungspartei zu diesem Paradigmenwechsel ihrer Politik gezwungen wird, mag ihr sauer ankommen. Es ist aber ein eher geringer Preis für ihre in 40 Jahren Alleinherrschaft zur Mißwirtschaft erstarrte Bremer Politik. Ein grüner Finanzsenator, der gemeinsam mit einem liberalen Wirtschaftssenator die Sozialdemokraten das Sparen und sinnvolle Geldausgeben in der Krise lehrt, wäre das nicht eine erfreuliche Aussicht?

Noch ist die Aussicht unreal. Das Koalitionspapier verzichtet auf Highlights. Das verschafft den grünen Fundalinos Argumente: Sie streiten heute so leidenschaftlich für das pure Rot-Grün wie weiland gegen jede Regierungsbeteiligung. Das muß nicht beunruhigen. Linksgrüne Sozialdemokraten gibt es heute in allen Parteien. Aus ihren Reihen kommen immer wieder erstaunlich regierungsfähige Minister und Senatoren. Wichtiger aber als wortgewaltige Beschlußlagen in dann doch nicht umsetzbaren Koalitionspapieren ist es, daß diese Ampel zustande kommt und vier Jahre versucht, Impulse des Wandels zu initiieren. Sie würde dazu beitragen, gestützt auch durch die erfolgreiche rot- grün-gelbe Koalition in Brandenburg, der vergrößerten Bundesrepublik ein pluralistischeres und demokratisiertes Muster der Politik einzuschreiben. Der Neubeginn der Bundesrepublik in bunt gemischten schwarz-rot-grün-gelben Koalitionen wäre ein ermutigendes Signal für das demokratische Bewußtsein, ein Signal für das immer mobilere Reagieren der WählerInnen.

Für die Grünen erleichtert die erfolgreiche Ampel die letzten, immer noch mühsamen Schritte, um zur unverzichtbaren Kraft einer freiheitlich-ökologischen Politik zu werden. Denn wenn es gelingt, Wedemaiers bürokratischen Betonpopulismus zu zivilisieren, dann müßte das doch auch mit dem Geißler und dem Teufel gehen. Udo Knapp