CDU will strengeren Strafvollzug für Celle

Im niedersächsischen Landtag hat die CDU gestern einen Untersuchungsausschuß zur Celler Geiselnahme beantragt/ „Sicherheitspolitischer“ Kampf gegen die Humanisierung des Strafvollzugs  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

„Als Isolationshaft muß man es bezeichnen, wie die Gefangenen im Sicherheitstrakt des Celler Gefängnisses leben“, sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Thomas Oppermann. Im Untersuchungsausschuß, den gestern im niedersächsischen Landtag die CDU-Fraktion nach der Celler Geiselnahme beantragt hat, ist der SPD-Abgeordnete aus Göttingen als Sprecher seiner Fraktion vorgesehen. Im Celler Sicherheitstrakt hatten sich am 21. November die vier Ausbrecher mit ihren Geiseln, vier JVA-Bediensteteten, verschanzt. Die Christdemokraten wollen nun mit dem Ausschuß keineswegs die Reaktion der Polizei auf die Geiselnahme, sondern das „Sicherheitskonzept für die Justizvollzugvolzugsanstalt Celle I“ überprüfen.

„Die neun Gefangenen, die wir im Sicherheitstrakt angetroffen haben, sind in der Regel 23 Stunden am Tag in ihrer knapp sechs Quadratmeter großen Zelle eingeschlossen“, berichtet Verwaltungsrichter a. D. Oppermann, der nach der Geiselnahme mit den Rechtsexperten der SPD- Fraktion Celle besucht hat. In der Einzelhaft im Sicherheitstrakt ist der Kontakt zu anderen Gefangenen auf ein Minimum reduziert. Das Essen wird nicht von Mitgefangenen, sondern von Anstaltbediensteten gereicht. Die wenigen Gefangenen, die einfache Montagearbeiten verrichten, sind dabei einzeln eingeschlossen. Paarweise dürfen die Häftlinge täglich eine Stunde unter Aufsicht auf einem separaten kleinen Gefängnishof ihre Runden drehen. Auch für den SPD-Politiker Oppermann ist klar, „daß Gefangene unter diesen Bedingungen all ihre Energie auf Ausbruch richten“.

Der Sicherheitstrakt ist im Jahre 1985 geschaffen worden, um weitere Geiselnahmen in Celle zu verhindern. Er war die Konsequenz aus einer Geiselnahme im Jahre 1984, bei der die Täter nahezu baugleiche selbstgefertigte Schußapparate und Sprengkörper benutzt hatten. Damals noch unter dem CDU-Justizminister Walter Remmers beantragte die Opposition keinen Untersuchungsauschuß. Auch jetzt lassen die polizeilichen Ermittlungen zur zweiten Celler Geiselnahme nur noch wenige Fragen offen. Gefertigt hatten die Ausbrecher ihre vier Schußapparate wiederum aus Stahlrohren, wie sie sich etwa als Tischbeine in der Anstalt finden. Solche Möbel mit Stahlrohren hatte Werner Remmers schon nach der ersten Geiselnahme per Erlaß aus den niedersächsischen Gefängnissen verbannen wollen. Doch der Erlaß wurde nicht umgesetzt. Als Füllung für ihre Sprengkörper und als Treibsatz für ihre Schießgeräte verwendeten die Geiselnehmer wie 1984 Pulver aus abgeschabten Streichholzköpfen. Auch Streichhölzer sind im geschlossenen Vollzug in Niedersachsen seit 1984 verboten. Wie das Pulver dennoch in den Sicherheitstrakt gelangen konnte, ist noch unklar. Bekannt ist inzwischen, wie die vier Geiselnehmer, von denen ja nur die beiden „Wortführer“ oder „Köpfe“ auf der Sicherheitsstation einsaßen, miteinander kommunizieren konnten. Auf Drängen einer ehrenamtlichen Vollzugshelferin hatte Anstaltsleiter Rüdiger Wohlgemuth eine Drahtrolle entfernen lassen, die zuvor an dem Bretterzaun angebracht war, der den separaten kleinen Hof des Sicherheitstraktes vom allgemeinen Gafängnishof trennt. Durch eine Lücke in diesem Zaun hatten die Geiselnehmer von der Sicherheitsstation ihren beiden Helfern aus dem allgemeinen Vollzug ein kleines Schießgerät zugesteckt. Mit diesem Gerät und mit einem Rasiermesser ausgestattet, überwältigten diese zwei Gefangenen dann am 21. November den ersten Anstaltsbediensteten, zwangen ihn, den Sicherheitstrakt aufzuschließen, und die Geiselnahme begann.

Auch wenn die beiden Geiselnehmer, erstmal im Besitz von Schußgeräten, ohne die Lücken im Bretterzaun sicher andere Ausbruchspläne gesucht und wohl gefunden hätten, steht zu befürchten, daß die CDU im Untersuchungsausschuß gerade auf Details wie dieser „wegen Verletzungsgefahr“ entfernten Drahtrolle herumreiten wird. Aus allgemeinen Untersuchungsfragen der CDU für den Ausschuß läßt sich unschwer das demagogische Schema ablesen: Rot- Grün will den Strafvollzug humanisieren, vernachlässigt daher die Sicherheit, Ereignisse wie die Geiselnahme sind die Folge. „Der Untersuchungsausschuß soll vor allem ein Rollback in der Strafvollzugspolitik in Niedersachsen einleiten“, sagt Thomas Oppermann. Die SPD wolle dagegen auch die Haftbedingungen im Sicherheitstrakt im Untersuchungsausschuß auf die Tagesordnung setzen. Auch diesen „besonders gefährlichen Gefangenen“ müsse man im Strafvollzug eine Perspektive geben, möglicherweise indem man für sie geschlossene Wohngruppen schaffe. Anstaltsleiter Rüdiger Wohlgemuth befürchtet allerdings schon jetzt, daß im Untersuchungsausschuß nur Details und nicht die wirklich wichtigen Fragen eine Rolle spielen werden. Isolation produziere bei Gefangenen entweder Haftschäden oder eine besondere Gefährlichkeit, sagt er. Die Übersicherung ist für ihn „nicht nur ein humanitäres, sondern auch ein Sicherheitsproblem“. Dadurch produziere man geschädigte und damit gefährliche Menschen. Und auch die müsse man schließlich eines Tages wieder aus dem Gefängnis entlassen.