Historischer Hackepeter

■ „Wir Deutschen“, So. ARD, „Die Welt der Jahrhundertmitte“, So. ZDF

Gleich zwei große historische Serien mit jeweils 13 Teilen haben am Sonntag begonnen. Beide wollen uns Bilder von „erregender Anschaulichkeit“ präsentieren und die Atmosphäre der Vergangenheit „intensiv spüren“ lassen. Doch die Geschichtsstunde des ZDF (Die Welt der Jahrhundertmitte) präsentierte sich in der ersten Folge als schwindelmachender Schnipselregen. Großartige Dokumentaraufnahmen, die von allen Schauplätzen der Welt zusammengetragen worden waren, fielen einem journalistischen Fast- Food zum Opfer, bei dem in beliebiger Abfolge die Bilder im Sekundentakt durcheinanderpurzelten. Koreakrieg, Mode in England, ein bißchen Resistance, zwei Takte Benny Goodmann, die deutschen Fernlenkraketen, das Leben im U-Bahn-Schacht, der Überfall auf Polen, Frauen im Ernteeinsatz, ein schneller Blick auf Tito, und Hitler guckt durchs Fernglas. Dieser historische Hackepeter wird von ein paar Stichworten begleitet, die das Gesehene nochmals aufsagen. Von historischer Analyse keine Spur. Hier wird nichts erklärt, sondern nur gezeigt, Geschichte als Bilderbogen, schnell und beliebig.

Angesichts des riesigen Aufwands ist dieser Output doppelt ärgerlich. Vier Jahre dauerte die Produktion, in 25 Ländern hat man 100 Archive benutzt, zwei Jahre lang waren Rechercheteams durch die Welt gereist. Das Filmmaterial, das sie mitbrachten, war tatsächlich aufregend, das ist immerhin noch erkennbar, doch die Verarbeitung von Dieter Franck ließ davon wenig übrig.

Deutlich besser, mit analytischeren Texten und dem ernsthaften Versuch, die faszinierende Vergangenheit nicht nur zu zeigen, sondern auch zu erklären, begann die ARD- Reihe Wir Deutschen von Bernhard Dircks. Statt rasender Schnittfolgen kann man sich bei fast musealen Bildern erholen. Römer und Germanen bestritten den ersten Teil, kulturelle Zeugnisse erwachten durch die packende Kommentierung zum Leben. Auch hier geht es rasant durch die Jahrhunderte, aber der rote Faden wickelt sich gekonnt von Trier nach Rom, von germanischen Thingplätzen zu den Bärenkämpfen im römischen Amphietheater, vom Teutoburger Wald zum Ende Roms durch Alerichs Belagerung.

Dircks hat bewußt dramatisiert, das Blut fließt reichlich, die Kultstätten werden mit schwerer Musik umtost, und der Sprecher hat stets das erregende Vibrato einer Live-Schaltung vom aktuellen Krisenschauplatz. Aber das alles ist nicht nur zulässig, sondern auch notwendig, wenn man keine lebenden Bilder zur Verfügung hat und Geschichte dennoch lebendig vermitteln will. So darf man sich bei der ARD auf die nächsten Geschichtsstunden freuen. Manfred Kriener