Liebhaber zum Abgewöhnen

■ Der 33jährige Schreiberling Achim Schwarze verdient sich mit seinem Buch über Fremdgehen eine goldene Nase/ Wer will, kann den Einweg-Yuppie als Lover auch selbst ausprobieren

Achim Schwarze hat sich gut verschanzt. Wer den Fuß in die vierte Etage des Charlottenburger Mietshauses setzt, fährt erschrocken zusammen: Grell blitzt eine Lampe auf, von der Decke droht ein Überwachungsspiegel, und in der Wohnungstür steckt ein Spion.

Ja, der Mann hat es nicht leicht. Schließlich ist er seit einigen Wochen selbsternannter »Experte in Sachen Fremdgehen«. Nicht nur, daß er ein Buch zum Thema geschrieben hat (Titel: »Fremdgehen«). Weil Schwarze zudem auch medialer Vollprofi ist, hat er gleich sein vorgebliches Expertentum 1.003mal auf Plakate samt Konterfei kleben lassen. Seit Wochen blickt der 33jährige Single nun den Berliner Frauen tief in die Augen, präsentiert er sich als »heimlicher Liebhaber«, gar als Mann mit »Stil, Witz und Phantasie«.

Wer will, darf den »Mann mit den abstehenden Ohren und der langen Nase« (Schwarze über Schwarze) auch anrufen. Und sollte der Herr Gefallen finden, auch testen. Die Kriterien, denen sich die Bewerberin zu stellen hat, sind allerdings streng: Gutes Aussehen (»Frauen mit dicken Oberschenkeln haben bei mir keine Chance«), Intelligenz (»Belichtet muß sie sein«) und Hochdeutsch (»Dialekte finde ich unmöglich«). Bevor es ins Bett geht, will Schwarze Klarheit: »Ich möchte wissen, ob eine Frau eine nasse Männerzunge in ihrem Ohr spüren will — um einmal ein nicht so schlüpfriges Beispiel zu nennen.« Nein, Zurückhaltung ist seine Art nicht. Die Frauen, die ihn schon vom Plakat her »scheiße« fänden, sollten gar nicht erst zum Hörer greifen. Pro Tag erhält er zwischen zehn und dreißig Anrufe. Die meisten allerdings legen auf, bevor Schwarze sie von seiner Unwiderstehlichkeit hat überzeugen können. Unter den Anruferinnen sind, wie er erzählt, »erstaunlich viele um die 50«. Die meisten wollten es zunächst nicht glauben, daß er es ernst meine.

Wer sich dann doch mit ihm treffen darf, kann auf seine Verschwiegenheit hoffen. Es sei denn, die Betreffende wünscht, in einem seiner nächsten Bücher verewigt zu werden — wovon abzuraten wäre. Verschwiegenheit und Konspiration — das sind die Schlagworte, die den Rahmen für Schwarzes neuestes Buch abgeben. Weil, wie er feststellen mußte, »die Leute beim Fremdgehen immer wieder die gleichen Fehler machen«, schrieb er einen 132 Seiten langen Ratgeber. Darin breitet er aus, welche Vorsichtsmaßnahmen, wann, wie und warum getroffen werden müssen, um die Neben- Liebschaft dem festen Partner zu verheimlichen. Etwa keine Adresse zu nennen, das Bettzeug nach jedem Abenteuer frisch zu beziehen oder sich wasserdichte Alibis zu verschaffen. Die Tips klingen so banal wie die austauschbaren Namen seiner Inkas, Karins, Barbaras, Edgars, Dieters und Stefans und wie die rund fünfzig Personen alle heißen, die ihm angeblich ihre Seitensprünge gebeichtet haben. Vor zehn Jahren, so behauptet Schwarze, habe er mit den Notizen zu seinem Buch begonnen und während seiner Urlaubsreisen weit über 300 Schilderungen notiert.

Die eigenen Erfahrungen, natürlich immer als Handelnder, dürfen auch nicht fehlen — wie es sich zu einem richtigen Bekenntnisbuch gehört. Etwa die aus seiner sechsjährigen Beziehung mit Sabine: »Durch sie habe ich viel gelernt, denn sie hatte ein unheimlich detektivisches Gespür — an ihr ist eine Hauptkommissarin verlorengegangen.« Kein Wunder also, daß Sabines Name das Buch als Widmung schmückt. Die längste Zeit war Schwarze acht Monate treu. Und um den Beweis anzutreten, sucht er in Pappschachteln herum und zeigt das Abbild der Betroffenen: »Meine Freundinnen waren schon immer von ausgesuchter Schönheit.« Sie ließ Schwarze — natürlich zusammen mit seinem Gesicht — im Sommer probeweise auf Plakaten in der Stadt anbringen. Ein Fehlschuß, wie er erzählt: Denn statt der erhofften Frauen meldeten sich bei ihm überwiegend Männer, die weniger an ihm als an seiner Ehemaligen Interesse zeigten. Ob er Minderwertigkeitskomplexe habe? Nein, auf keinen Fall.

Von Monogamie hält »der Schriftsteller«, wie er sich gerne nennt, wenig. Das sei eine »Mischung aus Resignation und praktischer Vernunft«. Die Gesellschaft zwinge den Menschen zur Monogamie als »Lebens-, aber nicht als Wunschform«. Schwarzes Erklärungen klingen jedoch eher wie pseudowissenschaftlicher Bodensatz. Das wäre ja nicht weiter schlimm. Wenn er aber in seinem Buch den Sextourismus in Thailand locker-flockig damit begründet, daß »dienstbare und (verglichen mit deutschen Verhältnissen) nette Mädchen auf niedrigem Preisniveau« den Mann erwarten würden, wird daraus billiges Stammtischgeschwätz.

Schwarze lassen solche Einwände kalt. Es langweile ihn, wenn er »ständig in diesem Lande den fürchterlichen Zeigefinger- und Meinungsjournalismus lesen muß.« Und stolz verweist er auf den Erfolg seiner 24 Bücher — darunter so bedeutende Werke wie der Cabrio-Fahrer oder 256 Männer-Typen. Mit dieser Masche hat er es auf ein Jahreseinkommen von 100.000 Mark gebracht. Und es steht zu befürchten, daß auch das neueste Buch seinen Kontostand wieder kräftig auffüllen wird. Vielleicht hilft es ihm ja. Denn in letzter Zeit, gerade nach den vielen Talk- Shows in diversen Fernsehkanälen, hat er zum eigenen Ärger immer wieder einen Satz hören müssen: »Der sieht so harmlos aus — eher wie ein Schuljunge denn wie ein Liebhaber.« Severin Weiland