Mißhandelten Türkinnen droht die Abschiebung

■ Innensenator Heckelmann will Härtefallklausel bei zwei jungen Türkinnen nicht anwenden/ Staatssekretärin Helga Korthaase fordert Innenverwaltung zu positiver Entscheidung auf und warnt vor sozialer Diskriminierung bei einer Rückkehr in die Türkei

Berlin. Mit einem unerfreulichen Jahresbeginn müssen zwei junge Türkinnen in Berlin rechnen: Die Innenverwaltung will sie in die Türkei abschieben. Beide Frauen lebten jahrelang in der Bundesrepublik, kehrten dann in die Türkei zurück und sind im vergangenen Jahr wieder nach Berlin gekommen.

Nach dem Ausländergesetz dürfen junge Ausländer, die bereits früher hier gelebt haben, in bestimmten Fällen in die Bundesrepublik zurückkehren. Der Gesetzgeber weist die Behörden an, »zur Vermeidung einer besonderen Härte« abweichend von den ansonsten gültigen Kriterien eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Diese Härteklausel will die Verwaltung unter Leitung von Senator Heckelmann aber offensichtlich nicht anwenden.

Die heute 22jährige Ayten Topal kehrte als 17jährige auf Anweisung ihrer Eltern aus Berlin in die Türkei zurück, um ihre kranke Großmutter zu pflegen. Mit achtzehn wurde sie gegen ihren Willen im türkischen Bafra verheiratet. Von ihrem Mann wurde sie fortwährend geschlagen; auch noch, als sie schwanger war. Nachdem sie ein Kind zur Welt gebracht hatte, setzte ihr Ehemann sie vor die Tür und behielt das Kind als seinen Stammhalter. Im März 1990 wurde die Ehe geschieden. Ayten Topal kehrte zurück nach Berlin. Hier unterstützen sie ihre Eltern. Zur Zeit versucht sie, den Hauptschulabschluß zu erwerben und eine berufliche Perspektive zu entwickeln.

Die Innenverwaltung wertet das Schicksal der 22jährigen Türkin nicht als Härte, sondern bestätigte die Androhung der Abschiebung. Ayten Topal hofft nun auf den Einfluß von Helga Korthaase, Staatssekretärin für Arbeit und Frauen und ehemalige Vorsitzende des Ausländerausschusses des Abgeordnetenhauses. Die setzte sich in einem Brief an die Ausländerbehörde für eine positive Entscheidung für die Türkin ein — bisher ohne Erfolg.

Im zweiten Fall angedrohter Abschiebung ist die Lage der türkischen Frau nicht besser. Auch die heute 29jährige Arzthelferin Mine Özec wurde nach zwölf Jahren in Berlin gegen ihren Willen bei einem Familienurlaub in der Türkei 1984 mit einem ihr unbekannten Mann verheiratet und von diesem körperlich mißhandelt. Nach einem fehlgeschlagenen Selbstmordversuch setzte sich die schwangere Türkin im Januar 1991 nach Berlin ab, um das Kind vor dem gewalttätigen Vater zu schützen. Hier lebt sie bei ihren Geschwistern und brachte im April ein Mädchen zur Welt. Künftig will die 29jährige einer Halbtagsbeschäftigung in einer Arztpraxis nachgehen. Die Innenverwaltung interessiert das wenig: Am 13. Dezember teilte sie ihr die bevorstehende Abschiebung mit.

Als alleinstehende Frau mit Kind wäre Mine Özec »nach einer Rückkehr in die Türkei sozialer Diskriminierung ausgesetzt«, setzt sich Helga Korthaase für die Türkin ein. Als »verstockt und uneinsichtig« bezeichnet auch Claus Rosenkranz, Anwalt beider Frauen, die Entscheidung der Innenverwaltung. Mit abgewogenen Entscheidungen in Härtefällen tue man sich dort über die Maßen schwer, so Rosenkranz. jgo