„Wir Albaner wollen Gleiche sein“

In Mazedonien stimmten am Wochenende über 500.000 Albaner über die Forderung nach einem autonomen Gebiet ab/ Mazedonier haben Chance für Gemeinsamkeit mit Albanern verspielt  ■ Aus Mazedonien R. Hofwiler

Auch in der südlichsten Republik des ehemaligen Jugoslawien wachsen die politischen und ethnischen Spannungen. Am Wochenende waren die über 500.000 Albaner Mazedoniens von den albanischen politischen Parteien aufgerufen, über eine territoriale und politische Autonomie in Westmazedonien abzustimmen. Zwar wurden einige Urnen von den Behörden beschlagnahmt, da die Abstimmung für illegal erklärt wurde, doch die albanische Bevölkerung drängte sich wie erwartet zu den Urnen. Und ihr Votum stand von vornherein fest: Die Albaner in Mazedonien wollen ein eigenes, autonomes Gebiet errichten.

Tetovo, die zweitgrößte Stadt des Landes, ist zu einem Zentrum der albanischen Kultur in Mazedonien geworden. Hier ist auch ihr politisches Zentrum. Der Führer der albanischen „Partei der Prosperität“, der größten albanischen Partei, Nevzat Halili, begründet die Volksabstimmung so: „Wir wollen damit der Welt zeigen, daß eine staatliche Anerkennung Mazedoniens durch die Völkergemeinschaft verfrüht kommt, denn die Rechte unserer Minderheit werden in diesem Lande mit Füßen getreten.“ Der unbestrittene Führer der Albaner spielt damit auf die Elle an, die von der Europäischen Gemeinschaft bei der Anerkennung von neuen Staaten angelegt werden soll. Und zu ihr gehört die Anerkennung der Rechte der Minderheiten. In der neuen mazedonischen Verfassung, so Halili, sei aber das albanische Volk nicht als staatsbildende Nation ausgewiesen, obwohl dies von den Vertretern der Mazedonier zugesagt worden war. Den Albanern, die nach Halilis Darstellung 35 Prozent der 2,2 Millionen Einwohner stellen, werde das Recht vorenthalten, ihre nationale Identität auszudrücken. Selbst in westmazedonischen Bezirken mit hohem Albaner-Anteil (Kumanovo 45, Kicevo 50, Struga und Tetovo 53 Prozent) werde nur in den Grundschulen Unterricht in albanischer Sprache genehmigt. Zudem beschränke man die Möglichkeit, in albanischer Sprache zu publizieren, rigoros.

Immerhin räumt Halili ein, die Situation für die Albaner in Mazedonien sei verglichen mit der Situation der Albaner in Kosovo unvergleichbar besser, aber die Angst bliebe, daß auch die Mazedonier sich wie die Serben in Kosovo aufführen könnten. Dort sind die zwei Millionen albanischen Einwohner seit Jahren in eine Apartheitsituation gebracht. Daß von mazedonischer Seite noch nicht schärfer vorgegangen würde, sei lediglich dem Umstand zu verdanken, daß die mazedonische Führung serbische Ansprüche auf das eigene Land abwehren müsse.

Auf parlamentarischem Wege sei für die Albaner auch in Mazedonien nichts mehr zu erreichen, im Parlament in Skopje würden die Albaner bei allen Gesetzen und Regierungsentscheidungen überstimmt. Deshalb habe man als „letztes Zeichen“ den Weg des Referendums über eine territoriale Autonomie gewählt, erklärt Halili. Die mazedonischen Parteien sollten endlich die Gleichberechtigung der Albaner anerkennen.

Doch daran glauben viele Albaner nicht mehr. Zwar streitet Halili ab, daß die Abstimmung der erste Schritt dafür ist, daß sich die „autonome Albaner-Region Westmazedoniens“ eines Tages zusammen mit dem Kosovo mit dem Mutterland Albanien vereinigen würde, aber viele Albaner hoffen gerade dies. In den Wahllokalen — das sind zumeist die Moscheen — waren die Urnen mit dem verbotenen Wappen der Albaner, dem Doppeladler auf rotem Grund, geschmückt. „Jugoslawien ist tot. Wenn sich die Serben das Recht herausnehmen, wo immer sie lebten, Teil eines Großserbien zu sein, weshalb dann nicht auch die Albaner?“, fragt ein älterer Mann und drückt damit die Meinung der Umstehenden aus.

In den halblegalen und illegalen Publikationen wird diese Forderung noch deutlicher ausgedrückt. In einer Ausgabe der im Untergrund erscheinenden Wochenschrift 'Zeri' (Das Volk) aus Pristina ist eine Karte mit den zukünftigen Grenzen eines „neuen Albanien“ enthalten. Sie umschließen das Kosovo-Gebiet und weite Teile Westmazedoniens bis kurz vor die Stadtmauern der mazedonischen Hauptstadt Skopje. Im Leitartikel wird klargemacht, daß der Krieg nun bald auch die Albaner erreichen könne. Ob die Albaner nun schwiegen oder ihre Stimme erhöben, sei einerlei, schreibt da der Philosoph Blerim Shala, es liege im Gutdünken der Armee und der serbischen Freischärler, wann sie den „bewaffneten Kampf“ gegen das albanische Volk eröffnen würden. Dem serbischen Ruf, „Serbien den Serben, marschieren wir nach Tirana, wenn es sein muß“, wollen die albanischen Nationalisten mit der Bereitschaft zu kämpfen beantworten. Selbst Nevzat Halili gesteht: „Es ist nur eine Frage der Zeit, wann sich der Kroaten-Haß der Belgrader Führung gegen uns Albaner wendet.“

Aber auch die Mazedonier fürchten Belgrad. Denn nicht wenige Serben sprechen den Mazedoniern ihre eigene nationale Identität ab und bezeichnen sie schlicht als „Südserben“ mit einem „südserbischen Dialekt“. Und es war diese Angst, als kleines Volk von Serbien annektiert zu werden, die den mazedonischen Nationalismus anstachelte. Zumindest in der einen Republik Mazedonien wollte man das Sagen haben — und vergaß dabei, die Albaner als Bündnispartner einzubinden. Eine Entwicklung, die der mazedonische Präsident Gligorov und der mazedonische Vertreter des nicht mehr funktionsfähigen jugoslawischen Staatspräsidiums, Tupurkovski, zutiefst bedauern. Beide warnen: Wie sich ein „Drei-Fronten-Krieg“ in Bosnien zwischen Kroaten, Muslimanen und Serben entwickeln könne, so unter gleich schrecklichem Vorzeichen in Mazedonien zwischen den mindestens 500.000 Albanern, 200.000 Serben und der mazedonischen Mehrheit. Gligorov und Tupurkovski setzten sich, wie Nevzat Halili bestätigt, für eine Gleichberechtigung der albanischen Minderheit ein: „Aber sie scheiterten auch zu meinem Bedauern“, so der Albaner- Führer, „doch was sollen wir tun, wir müssen unsere Stimme erheben.“ Es wird sich bald zeigen, ob das Albaner-Referendum in Westmazedonien die Nationalisten im Skopjer Parlament zum Einlenken bringen wird.