Gedankliche Trockenübung

■ Bernhard Striebel zeigt neue Arbeiten im Künstlerhaus Bethanien am Mariannenplatz

Für die ungewollte Unterbrechung von Fernsehfilmen haben die Sendeanstalten eine Überbrückung bereit: die Einblendung mit der Aufschrift »Bildstörung«. Für kurze Momente ist der Fluß der Bilder unterbrochen, die gewohnte Erwartung irritiert, der Zuschauer auf sich selbst zurückgeworfen.

Ein ähnliches Gefühl läßt die Ausstellung Präsentationsgleich aufkommen, die zur Zeit im Künstlerhaus Bethanien zu sehen ist. Die neuen Arbeiten des Konzept-Künstlers Bernhard Striebel verknüpfen Sprache und Bild. Glasscheiben sind mit Schrauben an der Wand befestigt. Auf ihnen sind Begriffe angebracht, die die sprachlosen Gegenstände mit Bedeutung füllen. Die Worte »Optische Ordnung«, »Begriffliche Ordnung« und »Bildliche Ordnung« sind zum Beispiel dort zu lesen. Die Tafeln, nüchtern wie Aufforderungen zur sozialistischen Produktionssteigerung, verzichten auf eine endgültige Losung.

Was soll durch die Zusammenstellung der Worte vermittelt werden? Zwar ist klar, daß der Künstler die kategorische Trennung von Bild und Sprache aufhebt, doch bleibt die Frage, wohin diese Synthese aus Visuellem und Verbalem führt. Das Bild scheint sich selbst zu bestätigen, seine Ordnung der vom Künstler behaupteten zu entsprechen. Das Kunstwerk ist optisch, begrifflich und auch bildlich wahrnehmbar und damit reduziert auf ein Logikproblem zwischen richtig und falsch: eine gedankliche Trockenübung. Bernhard Striebel formulierte Konzept-Kunst als Tautologie. Ein Bild läßt sich durch den Begriff »Bild« austauschen, doch was ist durch diese Substitution erreicht? Während er die Bilder durch Begriffe auflöst, produziert er zugleich eine neue visuelle Einheit, die wiederum zerlegt werden muß.

Ein anderes Bild trägt die Worte »Begrifflich vorbestimmt« und »Begrifflich uneinlösbar«. Mit »Begrifflich vorbestimmt« läßt sich das Dilemma der Bildproduktion denken: Was kann vor der Herstellung eines Kunstgegenstandes kalkuliert werden, und was entzieht sich der subjektiven Kontrolle des Künstlers? Gleiches gilt für die Wahrnehmung von Kunst. Inwiefern ist das Kunstbetrachten begrifflich vorbestimmt — und in diesem Sinne mehr ein Wiedererkennen als ein Sehen, das unvoreingenommen ist?

»Begrifflich uneinlösbar« erinnert an ein Problem beim Sprechen über Kunst. Der Berliner Kunstvermittler Thomas Wulffen formuliert es treffend: »Die Rede über Kunst ist keine Kunst. Sie dient als Vermittlungsinstrument gegenüber einem Objekt, das den Anspruch erhebt, für sich selbst zu stehen. Zwischen diesem Artefakt und der darauf bezogenen Rede besteht eine Distanz, die der Diskurs aufheben will.«

Vielleicht führt Bernhard Striebel ein Gespräch mit seinen eigenen Bildern, quasi um die von Wulffen beschriebene Distanz von Bild und Wort durch ihre Verschränkung aufzuheben. Der Künstler verwendet die Kombination unterschiedlicher Elemente — einen begrifflichen Begriff, ein begriffliches Bild — als sachliches Sampling-Verfahren der Kunstproduktion.

Daß Worte nicht nur als bildnerisches Medium eingesetzt werden, sondern eine eigenständige ästhetische Qualität entwickeln können, zeigen die Arbeiten des amerikanischen Konzept-Künstlers Lawrence Weiner. Seine Sprach-Bilder sind visuell interessante Konstellationen von Worten und Sätzen, die einen Raumbezug haben. Was an inhalticher Bedeutung produziert wird, vollzieht sich auch gestalterisch. Weiner benutzt Worte (Somehow) und Sätze (Taken To A Point In Space), die zugleich vielfältige Assoziationsbilder eröffnen.

Bernhard Striebels Arbeiten dagegen setzen nicht auf die spannungsreiche Konkurrenz von Wort und Raum, nicht auf eine Mischform, die zu wechselseitiger Erklärung führen würde. Seine Wort- kunst scheint nichts anderes als eine nüchterne Kommentierung der Kunsterhaltung, die nicht einmal als kritisches Statement gelesen werden muß. Ein ungewürztes Kunstmachen über die Konstitution von Kunst. Die Spannung zwischen visueller und verbaler Erscheinung des Textes als Bild im Raum ist hier erloschen. Es entsteht der Eindruck, als würde — bildlich gesprochen — das Hinweisschild »Kurze Unterbrechung« vorgeführt. Und die Frage bleibt im Raum: Was passiert in der Zwischenzeit im Film, der uns vorenthalten wird? Herbert Jochmann

Noch bis 16. Februar täglich außer montags 14-19 Uhr im Künstlerhaus Bethanien, Kreuzberg.