Guatemala

■ betr.: "Guatemala sucht seine Geschichte", taz vom 13.2.92

betr.: „Guatemala sucht seine Geschichte“ (Um dem 500-Jahre- Rummel zu widerstehen, berufen sich Guatemalas Indios auf ihre versunkene Kultur),

taz vom 13.2.92

[...] Was steht hinter dieser Darstellung von „Indios berufen sich auf ihre Vergangenheit“? Warum sind wir eigentlich erstaunt darüber, daß die indianische Bevölkerung Guatemalas ihren Widerstand gegen die Repression organisiert hat; daß sie ihre Geschichte reflektieren, ihre eigene „entwickelte Kultur!“ über Jahrhunderte gepflegt, erhalten und weiterentwickelt haben; daß ihr Kalender exakter berechnet ist, als unserer; daß sie eine eigene wirksame Medizin haben, an Universitäten studieren und jetzt eine eigene Akademie der Maya-Sprachen gegründet haben? [...] Weil wir sowas den „Indios aus dem Hochland“ nicht zutrauen, weil sie in unserer Vorstellung nur als „arme, unterdrückte, unterentwickelte Indios“ existieren, die unsere Unterstützung, Spenden etc. brauchen, aber nicht als politisch handelnde Menschen! Es ist überhaupt nicht erstaunlich, sondern ganz selbstverständlich und notwendig, daß sich die Indigenas in Guatemala gegen die Unterdrückung, Verfolgung und Repression, der sie ausgesetzt sind, wehren, und daß sie sich dagegen organisiert haben.

Daß ärgerliche an dem Artikel ist, daß Leonhard in dieser Darstellung von „Maya-Widerstand“, die Indigena-Organisation aus dem gesamten Spektrum der guatemaltekischen Volksorganisationen herausnimmt, was in dieser Form falsch ist.

So betont auch Petrona Menetz in dem Interview, daß die Indigenas sich zwar als solche in der Koordination Mayawil Q'ij zusammengeschlossen haben, um ihre spezifischen indianischen Forderungen auszutauschen und effektiver vertreten zu können, daß sie sich aber nicht gegen die Organisationen und Vertretungen von Ladinos und Weißen abschotten wollen, sondern daß sie gemeinsam arbeiten.

Die meisten Indigenaorganisationen und die Koordination Mayawil Q'ij verstehen sich als Teil der guatemaltekischen Volksorganisationen, sie arbeiten nicht gegen andere Volksorganisationen. In vielen Organisationen arbeiten Indigenas und Ladinos schon seit Jahren zusammen, zum Beispiel in der Nationalen Witwenkoordination (CONAVIGUA), in der Vereinigung von LandarbeiterInnen (CUC), im Zusammenschluß der Familienangehörigen von Verschwundenen (GAM), in der Vertretung der Flüchtlinge in Mexiko (CCPP) etc. Über diese Arbeit und die Zusammenarbeit all dieser Gruppen sollte mehr in der taz berichtet werden, zum Beispiel über die Konferenz der Gewaltopfer in Guatemala, in der diese und noch weitere Gruppen Ende Januar ihre Positionen zur Lösung der Konflikte in Guatemala vorgestellt und ihre Forderung nach Beteiligung an den Verhandlungen zwischen Regierung und Guerilla bekräftigt haben.

Ziemlich undifferenziert ist auch Leonhards Darstellung des Treffens und der Beschlüsse vom 2. Kontinentalen Treffen der Indigena-, Schwarzen- und Volksorganisationen im Oktober 1991 in Guatemala. Richtig ist, daß es heftige Auseinandersetzungen zwischen VertreterInnen von Indigena- und Volksorganisationen über inhaltliche Schwerpunkte der Kampagnenarbeit gegeben hat. Aber das Ergebnis dieser Diskussionen war eben nicht eine Spaltung der Kampagne, sondern die Einigung, das Spektrum der Kampagne für alle offen zu halten und weiter zusammen zu arbeiten, was bedeutet, die Auseinandersetzungen weiterzuführen, aber auch gemeinsame Forderungen, die es durchaus gibt, gemeinsam zu vertreten.

Daß viele Indigenaorganisationen, neben dieser gemeinsamen Arbeit, ihre eigenen Treffen durchführen, bedeutet nicht, daß sie alle nicht mit Ladinos zusammenarbeiten wollen. Diese Darstellung ist zu verkürzt. Natürlich haben nicht alle Indigenaorganisationen die gleichen Ziele und Strategien zur Umsetzung ihrer Ziele, und einige von ihnen sehen Weiße und Ladinos als ihre GegnerInnen, aber dies als die Position „der Indio-Organisation“ darzustellen, ist falsch. Eine große Zahl von Indigenas, die in den guatemaltekischen Volksorganisationen seit Jahren gemeinsam mit Ladinos arbeiten, vertreten eben nicht die Auffassung, daß die Unterdrückung in Guatemala vorwiegend ein Rassen- und nicht ein Klassenproblem sei, sondern daß die Indigenas sowohl als Klasse wie auch als Rasse unterdrückt werden (und viele von ihnen darüber hinaus auch aufgrund ihres Geschlechtes). Und deshalb schließen sich die von der Unterdrückung Betroffenen zusammen, um gemeinsam dagegen zu kämpfen. Sie wollen sich gerade nicht mehr spalten lassen in Ladinos und Indigenas, in Männer und Frauen etc.

Die Tendenz von „konservativen“ Indigenas, die Leonhard beschreibt, gibt es natürlich auch, aber diese Sichtweise ist nicht gleichzusetzen mit „Maya-Widerstand“ in Guatemala. Was mich ärgert, ist diese undifferenzierte, völlig aus dem politischen Kontext in Guatemala herausgegriffene Darstellung, die wiedermal so eine „traditionalistische indianische Bewegung“ betont und in den Mittelpunkt stellt. Diese einseitige und reduzierte Darstellung wird der politischen Entwicklung der letzten Jahre in Guatemala und auch der Vielfalt der Formen von Widerstand überhaupt nicht gerecht. Meike Heckt, Langeln