"Bei uns macht jeder, was er will"

■ betr.: "Unentschuldigt in Kurdistan", taz vom 19.2.92

betr.: „Unentschuldigt in Kurdistan“ (Für Aufbauhilfe in Kurdistan erntet der grüne Landtagsabgeordnete Siggi Martsch Schelte), taz vom 19.2.92

[...] Im Artikel zu Martschs Aufenthalt im wilden Kurdistan haut Jakobs voll daneben. Er wirft den Landtags- Grünen vor, kleinlich zu rügen, wo Lob volle Lotte angebracht wäre.

[...]Martsch, der über eine Fahrerlaubnis der Klasse II verfügt, hat anläßlich des Golfkriegs Trucks mit Hilfsgütern nach Kurdistan gefahren. Das wußte jedeR. Damit verbunden war die nähere Kenntnis der Probleme in Kurdistan, die Martsch veranlaßt hat, über mehrere Monate Hilfsdienste zu leisten. Darüber hat er nun wiederum mit den Grünen nicht gesprochen. Die Landtagsfraktion ist eine Gruppe, die gewählt worden ist, um gemeinsam Politik zu machen. Was wäre wohl passiert, wenn Martsch sich im Sommer 1991 vor die Landtagsfraktion gestellt und gesagt hätte, wo er warum arbeiten will und wozu er um Zustimmung bittet? Hätte die Fraktion nein gesagt? Doch wohl nicht.

Aber das wäre ja Politik — und also nicht grün. Bei uns macht jeder, was er will — und erwartet hinterher Lorbeeren satt. Genauso ist es auch in diesem Fall — entgegen der Behauptung von Jakobs — gekommen: Die Landtagsfraktion hat nicht nur nachträglich ihr Plazet gegeben, sondern begeistert einem Dia-Vortrag von Martsch Beifall gezollt.

Was lehrt uns das? Bei den Grünen macht jeder, was er will und kann dafür auch noch den Beifall der anderen ganz sicher einheimsen, weil die nämlich darauf angewiesen sind, für ihre Alleingänge ebenfalls nachträglich Legitimation zu kassieren. Bloß ja nicht vorher/gemeinsam/öffentlich über politische Vorhaben debattieren! Die Grünen sind schließlich keine politische Partei, die öffentlich Erfolge gemeinsamer Arbeit vorweisen können sollte! Richard Kelber, Mitglied des Rates der Stadt Dortmund