Unerhörte Klänge in der Ruine

■ Die andere Seite von La Monte Young: Klanginstallationen

Anfang Februar haben sich an der Ruine der Künste in Dahlem ungewöhnliche Veränderungen vollzogen. Der amerikanische Komponist und Avantgarde-Pionier La Monte Young hat, zusammen mit der Künstlerin Marian Zazeela, die Ruine in ein »Dream House« verwandelt, ein Konzept, das Young und Zazeela schon in den sechziger Jahren entwickelten und seitdem an zahlreichen Orten verwirklichen konnten.

Das Konzept stammt von dem schon frühen Interesse Youngs an sehr lang gehaltenen Klängen und an der dadurch entstehenden Veränderung der Klang- und Zeitwahrnehmung. Ursprünglich war das Dream House als besonderer Ort konzipiert, wo eine Musik- oder Klangaufführung kontinuierlich über lange Zeit stattfinden könnte. Musiker sollten regelrecht in dem Dream House wohnen und in abwechselnder Zusammenarbeit ein ununterbrochenes Klang-Environment schaffen. Die extrem hohen Kosten eines solchen Unternehmens haben bis jetzt nur Verwirklichungen mit einem Synthesizer erlaubt.

Die Klanginstallation in dem jetzigen Dream House besteht aus reinen Sinuswellen, deren Frequenzwerte bestimmten Primzahlmengen entnommen sind — unter anderem den »Young Primes«, einer Menge, die Young selber mathematisch definiert hat. Die in dem Raum reflektierenden Sinuswellen treffen aufeinander, wobei sie sich an verschiedenen Stellen entweder gegenseitig verstärken oder aufheben. Der Raum wird dadurch in Klangbereiche eingeteilt, die wie ein kompliziertes dreidimensionales Klang-Mosaik wirken. Bei den niedrigen Frequenzen ist diese Einteilung grob, während bei den hohen Frequenzen die Einteilung so fein ist, daß schon die kleinste Kopfbewegung des Zuhörers zu einer schlagartigen Veränderung der Klänge führt. Die spezielle Zusammenstellung des Gesamtklanges macht es höchst unwahrscheinlich, daß exakt dieser Klang je zuvor von jemandem gehört wurde.

Marian Zazeela hat die Gestaltung des Raums im visuellen Bereich übernommen. Die Außenwelt wird mittels magentaroter Folie, die über den Fenstern der Ruine haftet, phantastisch verwandelt. Umgekehrt leuchtet aber auch der Innenraum intensiv magenta. Mobile Skulpturen werden mit primär roten und blauen Scheinwerfern bestrahlt und werfen auf den Wänden verschiedenfarbige Schatten. Ein ähnlicher Lichteffekt an einer geometrischen Wand- Skulptur: auf der vorderen Außenwand der Ruine angebracht, leuchten magentarot die Worte »Dream House«. Sogar die Räucherkerzen, die in der Ruine brennen, duften irgendwie magenta.

Licht und Klang werden in dem Dahlemer Dream House in naturwissenschaftlich kalkulierter, jedoch durchaus harmonischer Weise angewandt. Und das Klang/Licht-Environment wirkt nach einiger Zeit tatsächlich auf die Wahrnehmung. Ein längerer Aufenthalt in dem Dream House ist notwendig, um den vollen Effekt zu erleben. Das Gemüt wird von der Umgebung auf meditativer Art beruhigt, und subtile Klang- und Lichteffekte, die bei erster Betrachtung verschleiert blieben, treten dann in den Vordergrund. Jost Muxfeldt

Dream House bis zum 8. März in der Ruine der Künste, Hittorfstraße 5, täglich von 12.30-18 Uhr