KOMMENTAR
: Betr.: Verhandlungen

■ Die Vereinigung der "Grünen" und des "Bündnis 90" macht die Basokraten munter

Betr.: Verhandlungen Die Vereinigung der „Grünen“ und des „Bündnis 90“ macht die Basokraten munter

Ein Gespenst geht um bei den Basokraten — das Gespenst des Individualismus. Alle Mächte des grünen Basismus haben sich zu einer heiligen Hetzjagd verbündet: die grüne Ratsfraktion von Detmold, lippisch-linke Müslis und die Freunde der rheinischen Schlachteplatte.

„In tiefer Sorge“ faxen sie an „die lieben Leute vom BuVo“ — „Betr.: Eure Verhandlungen mit dem Bündnis 90“. Sie erzittern vor „Leuten wie Weiß“, wähnen „praktisch das Ende der Grünen“, wenn „aufgestellte Forderungen nicht umgehend eingefordert“ werden. Als Heroen von Wyhl und Mutlangen haben sie „immer oppositionell gekämpft“ — damals schon, als „der Templin“ „noch in seine Stasi-Windeln geschissen hat“... etc.pp.

In diesem Ton setzen sich derzeit nicht wenige grüne Basis-Bürokraten, die sich gerne mit der (möglichen) Wählerschaft der Partei verwechseln, darüber auseinander, unter welchen Bedingungen sich Die Grünen und das Bündnis 90 vereinigen sollen. Wie üblich schießen sie sich auf profilierte Personen ein, bezweifeln die „Konsensfähigkeit“ einzelner, wo sie die Dumpfheit des politischen Lagers meinen. Ihre Intellektuellenfeindschaft verbindet die grünen Basokraten strukturell mit dem gesamten Polit-Milieu der Bundesrepublik. Sie haben Schily und Brumlik zur Strecke gebracht, Beuys und Kelly. Die Sprache dieser „Basis“ schöpft aus Sentimentalität und Ressentiment, panzert das Wir-Gefühl und bedenkt den, der es „aufweicht“, mit Fäkalien.

Natürlich zittern die „lieben Leute“ nicht ganz zu Unrecht: Parlamentarier müssen reden und reagieren können; sie stehen als Personen in der Öffentlichkeit — nicht als Beschlußlage. Das höchst individuelle Auftreten eines Wolfgang Ullmann, einer Ingrid Köppe, eines Konrad Weiß ist mehr wert als die politische Selbstversicherung sogenannter Funktionsträger: Diese tarnen ihre Einfallslosigkeit als Prinzipientreue, nennen sich Basisdemokraten, weil ihnen der Mut zur ganz persönlichen und persönlich zu verantwortenden öffentlichen Rede fehlt. Genau deshalb wurden die Grünen politisch grau. Dabei sind die Chancen für eine Partei, die auf das prekäre und spannungsreiche politische Spiel starker Individuen setzt, in der Bundesrepublik phantastisch: Die politischen Debatten sind öde, die Funktionäre der Großparteien leidenschaftslos. Es gilt, ununterbrochen neue Fragen zu stellen und öffentlich nach Antworten zu suchen. Die Repräsentanten des Bündnis 90 versuchen das, sie bringen ihre komplizierten Biographien mit: Individualität, Stärken und Schwächen, die mehr bedeuten als das Lavieren zwischen Essential und Konsens. Fast tragisch, daß sie sich mit diesen Grünen vereinigen müssen; die grüne Partei aber hat dabei nichts zu verlieren als ihre grün- grauen, grauenhaften Basokraten. Götz Aly