Motorendonner am Löwenkopf

Zum erstenmal seit 1985 darf Südafrika wieder ein Formel-1-Rennen veranstalten/ Die schwarze Bevölkerung bleibt beim Grand Prix von Südafrika allerdings weitgehend ausgeschlossen  ■ Von Willi Germund

Kyalami (taz) — „Die größte Show des Motorsports ist zurück in Kyalami,“ jubelte Südafrikas Tageszeitung 'Citizen‘. Zum ersten Mal seit 1985 startet am Sonntag der Formel-1-Grand-Prix auf der 4,26 Kilometer langen Rennstrecke am nördlichen Rand von Johannesburg. Den letzten Lauf vor sieben Jahren gewann der Brite Nigel Mansell, der auch diesmal nach den Trainingszeiten ganz vorne liegt. Zu lange, so klagt das Blatt, sei die Show den Südafrikanern vorenthalten worden. Der Grund für den Entzug: Wegen der Apartheid-Politik machte selbst der Formel-1-Zirkus einen Bogen um Südafrika. Internationale Sponsoren wie Renault hatten massiven Druck ausgeübt.

Jetzt sorgen die 16 Teams mit ihren 35 Rennfahrern für das erste große internationale Sportereignis am Kap der guten Hoffnung, seit Staatspräsident Frederik W. De Klerk im Februar 1990 seine Reformpolitik begann. Das erste äußere Zeichen der Veränderungen: Bis Mitte der 80er Jahre mußte Südafrikas Formel-1-Lauf samstags stattfinden. Die strenge religiöse Tradition der weißen Herrscher Südafrikas verbot damals Sonntags-Sportveranstaltungen, ebenso wie heute noch die Kinos geschlossen bleiben. Ein weiteres Indiz für die Normalisierung: Weder die Anti-Apartheid-Allianz „African National Congress“ (ANC) noch andere linksgerichtete Widerstandsgruppen protestierten gegen die Veranstaltung.

Für die nächsten fünf Jahre wird Kyalami (auf deutsch „Neue Heimat“) im Schatten des „Leuwkopp“ (Löwenkopfs) die Heimat des ersten Formel-1-Grand-Prix der Saison sein. 20 Millionen Rand (ca. 14 Millionen Mark) steckte das Unternehmen „Motor Racing Enterprise“ in Modernisierung und Ausbau der Strecke. Das Tochterunternehmen des Tollgate-Konzern — die Firmengruppe kassiert normalerweise die Mautgebühren an Südafrikas Autobahnen — hofft, die Ausgaben während der nächsten Jahre mit anderen Rennsportveranstaltungen wieder verdienen zu können. So schafften es die Organisatoren, für Oktober auch die Motorradweltmeisterschaften nach Südafrika zu holen.

Kyalami scheint zu einem neuen festen Bestandteil des internationalen Motorsportzirkus zu werden. Eine Zukunftsperspektive, die nicht nur die Motorsportfanatiker Südafrikas erfreut, sondern auch die Rennteams. Schon jetzt kämpfen mehrere Formel-1-Ställe mit finanziellen Schwierigkeiten. Südafrika aber tritt nicht nur als Veranstalter auf, sondern stieg gleich auch massiv als Mäzen ein.

Der staatliche Erdölkonzern Sasol, der mit südafrikanischen Steuergeldern in den schwarzen Zahlen gehalten wird, kaufte sich mit acht Millionen britischen Pfund beim Jordan- Team ein. Für diese Summe spritzte der Rennstallbesitzer seine bisher prinzipiell in irischem Grün gehaltenen Rennwagen sogar hellblau. Der brasilianische Rennfahrer Mauricio Gugelman hatte während der Winterpause zufällig einen SASOL-Manager getroffen.

Freilich zeigt das Rennspektakel auch, wie wenig sich in der Praxis bisher an den Verhältnissen in Südafrika geändert hat. Unter den Hunderten von Sicherheitsangestellten befindet sich kein einziger Schwarzer. Selbst bei Gabelstaplern wird die alltägliche Rassendiskriminierung immer noch deutlich. Als einer der Rolläden an den Boxen ausgewechselt werden mußte, halfen zwei Vertreter der 30 Millionen Menschen zählenden Bevölkerungsmehrheit aus. Das Abladen der Rennwagen von den Sattelschleppern erledigte dagegen ein Vertreter der fünf Millionen Weißen.

Unter den 80.000 Zuschauern, die am Sonntag das Motodrom von Kyalami bis auf den letzten Platz füllen, werden schwarze Gesichter ebenfalls zur Ausnahme gehören. Mit dem saftigen Eintrittpreis von 170 Rand (rund 110 Mark) ist Südafrikas erstes großes internationales Sportereignis seit 1985 für die meisten Schwarzen am Kap nahezu unerschwinglich. Statt dessen kommen mehrere hundert Strafgefangene gratis in den teilweisen Genuß des Rennens. Sie sitzen auf der anderen Seite des „Leuwkopp“ im Gefängnis und sie werden sich angesichts der heulenden PS-Monster am Sonntag in ihren Zellen wohl eher die Ohren verstopfen.