„Vom Talent her die besten der Welt“

■ Alfred Assemien, ein Schwarzer von der Elfenbeinküste, bei Werders Jugend

Die Zukunfts-Hoffnungen von Werder Bremen trägt ein Kicker im Kleinformat: 17 Jahre alt, 1,60 Meter groß, 55 Kilo leicht. Alfred Assemien heißt der junge Mann, geboren in der Elfenbeinküste, aufgewachsen in Frankreich, seit dieser Saison in Werders A-Jugend. Das farbige Talent war dem

Kauf ohne Risiko: halbwüchsige Schwarze - Der neueste Trend im Fußballgeschäft

Bremer Jugendtrainer Hans-Wilhelm Loßmann bei einem Jugendturnier in Frankreich aufgefallen, „wegen seiner unglaublichen technischen Fähigkeiten.“

Loßmanns spontane Zuneigung wurde erwidert: Obwohl Assemien verlockende Angebote aus ganz Frankreich vorliegen hatte, entschied sich „der intelligente und selbstbewußte Junge“ (Loßmann) für die gründliche Ausbildung beim SV Werder.

Hans-Wilhelm Loßmann ist der Afrika-Fachmann im Bremer Trainerstab. 1985 schickte ihn der Verein, quasi als fußballerischen Entwicklungshelfer, für ein Jahr nach Sambia, wo er den Club „City of Lusaka“ trainierte. Im März 1990 nahm er mit der sambischen Nationalmannschaft am Afrika-Cup in Algerien teil und gewann Bronze.

„Damals ging es noch sehr ruhig zu, weil sich in Europa keiner für den afrikanischen Fußball interessierte“, erinnert er sich. Richtig aufmerksam geworden sei man hier erst, nachdem sich so viele Afrikaner in europäischen Clubs durchgesetzt hätten. „Vom Talent her sind die schwarzen Spieler die besten der Welt“, sagt Loßmann. „Wenn sie sich gut weiterentwickeln, werden sie bald ebenso dominierend sein wie in der Leichtathletik.“

Beim diesjährigen Africa-Cup im Senegal war das Interesse längst geweckt: Aus aller Welt waren Trainer, Manager und Spielermakler angereist, um sich die Dienste der neuentdeckten Stars zu sichern. Die Mannschaftshotels entwickelten sich zu regelrechten Börsen, das Gefeilsche erinnerte die Münchner

hierhin bitte das

Foto von dem

schwarzen

Fußballspieler

Der kleine Alfred Assemien zwischen seinen KollegenFoto: Stroscher

Abendzeitung an „Szenen aus der TV-Sklavenserie Roots“.

Das Engagement der Aufkäufer hat einen handfesten Grund — die Afrikaner sind lukrative Handelsobjekte. Für jeden Kicker, den ein Vermittler bei einem Spitzenclub unterbringt, streicht er fette Rendite ein. Auch den Vereinen verheißt ein spielstarker Afrikaner oft ein lohnendes Geschäft: Für den Liberianer George Weah zum Beispiel, vor zwei Jahren für 200.000 Dollar vom französischen Spitzenclub Monaco verpflichtet, bieten italienische Vereine derzeit zweistellige Millionenbeträge.

Seit neuestem geht der Trend bei findigen Vereinsmanagern dahin, bereits halbwüchsige Afrikaner zu verpflichten. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist günstig; ein Kauf ohne Risiko. Bundesligist Bayer Leverkusen etwa hat seit einigen Monaten zwei fünfzehnjährige Ghanaer unter

Vertrag, die einstweilen die A-Jugend verstärken und später in der Bundesliga kicken sollen.

Hans Wilhelm Loßmann findet nichts Anstößiges daran, er sieht darin sogar eine Form von Entwicklungshilfe: „Immer vorausgesetzt natürlich, daß sie beim Verein in gute Hände geraten — aber da habe ich bei Leverkusen oder bei uns keine Bedenken.“

In der Tat sorgt sich Werder — bekannt für vorbildliche Jugendarbeit — sehr um seine Nachwuchsspieler. Alfred Assemien lebt mit den anderen Balltalenten im vereinseigenen Internat an der Brautstrasse, das von Loßmanns Frau Ulrike geleitet wird. Der junge Afrikaner besucht die Realschule; Loßmann („Die berufliche Ausbildung muß parallel zur sportlichen laufen“) organisiert für seinen Schützling derzeit eine geeignete Lehrstelle in einem Dental-Labor.

Doch längst nicht alle Nachwuchskicker aus dem schwarzen Kontinent werden so sorgsam umhegt. Ein inzwischen etablierter Bundesliga-Spieler wie Tony Yeboah (Eintracht Frankfurt) hatte zu Beginn seiner Karriere arge Schwierigkeiten, weil ihm dubiose Berater mehr schadeten als nützten und den unerfahrenen Spieler ausmolken wie eine Kuh. Mittlerweile wüßten aber die jungen Afrikaner, meint Loßmann, sehr wohl um den Wert ihrer Kickkünste: „Die lassen sich nicht mehr einfach so verhökern.“

Mit einem Problem aber, dem schwerwiegendsten, haben alle farbigen Kicker zu kämpfen: mit der Ausländerfeindlichkeit. Als Albert Assemien kürzlich mit seinen Mannschaftkollegen in eine Disco wollte, ließ ihn der Türsteher nicht hinein. Die Mannschaft erklärte sich solidarisch und verzichtete kollektiv auf das Tanzvergnügen. Für Alfred ein kleiner Vorgeschmack auf das, was ihn erwartet, wenn er in einigen Jahren tatsächlich den Sprung in die Erste Mannschaft schafft: Dann wird er den gegnerischen Fans als Reizfigur dienen, sie werden ihn mit Bananen bewerfen und Urwaldlaute ausstoßen, sobald er sich auf dem Rasen zeigt.

Mag Hans-Wilhelm Loßmann auch die Hoffnung hegen, daß „die Leute mit der Zeit toleranter werden und die Diskriminierung aufhört“: Alfred Assemien stehen harte Proben bevor in der deutschen Bundesliga. Holger Gertz