Ein Tory-Budget für den Wahlkampf

Zuckerbrot für Arme und Steuerermäßigungen für Kleinunternehmen/ Das Budget zielt auf traditionelle Labour-Wähler/ Tory-Rechte und Börse reagieren skeptisch/ Wahlen am 9.April  ■ Aus Edinburgh Ralf Sotscheck

Der britische Haushaltsplan, der am Dienstag im Unterhaus vorgestellt wurde, ist ganz auf den Wahlkampf der Torys und Stimmenfang im gegnerischen Lager zugeschnitten. Premierminister John Major gab gestern nach einer Audienz bei der Königin bekannt, daß der Urnengang wie erwartet am 9. April stattfinden wird. Von dem neuen Haushalt, den Finanzminister Norman Lamout vorlegte, werden vor allem die unteren Einkommensschichten und Kleinunternehmen profitieren. So gibt es demnächst eine neue Streuerklasse von 20 Prozent, die für die ersten 2.000 Pfund (5.735 DM) des Einkommens gilt. Die Sozialhilfe für RentnerInnen und Ehepaare wird geringfügig erhöht, die Unternehmenssteuer um 3,25 Prozent gesenkt. Wer ein neues Auto kauft, muß in Zukunft nur noch die Hälfte an Mehrwertsteuer — nämlich fünf Prozent — zahlen. Dadurch soll die in Bedrängnis geratene britische Autoindustrie angekurbelt werden. Einige Maßnahmen hat Lamout aus dem Programm der Labour Party abgeschrieben: Die Filmindustrie erhält erhebliche Steuervergünstigungen, und das Unternehmensförderungsprogramm wird 1993 eingestellt.

Um das Wahlkampfpaket zu finanzieren, nehmen die Torys von dem eisernen Sparprinzip der ehemaligen Premierministerin Margaret Thatcher Abschied. Die Neuverschuldung verdoppelt sich in diesem Jahr von 14 auf 28 Milliarden Pfund (80,3 Milliarden DM). Lamout will seinen Haushaltsplan noch in dieser Woche vom Unterhaus absegnen lassen, da das Parlament nun nach der Bekanntgabe des Wahltermins aufgelöst werden wird.

Das Budget zielt deutlich auf Teile der traditionellen Labour-Wählerschichten ab. Ob der Plan jedoch aufgeht, ist fraglich. Die finanziellen Verbesserungen durch die neue Steuersenkung, die Lamout als zentralen Punkt des Budgets anpries, sind in Wirklichkeit minimal: Sie machen gerade mal 2,64 Pfund (7,57 DM) pro Woche aus. Dadurch wird „höchstens der Umsatz bei Kartoffelchips gesteigert“, kommentierte der 'Guardian‘. Der Labour-Vorsitzende Neil Kinnock kündigte an, seine Partei werde gegen das Budget stimmen. „Die Regierung versucht die Wähler mit geborgtem Geld zu bestechen, statt in den Gesundheitsdienst, das Bildungswesen oder den industriellen Aufschwung zu investierten“, sagte Kinnock. „Die Rechnung dafür werden unsere Kinder bezahlen müssen.“ Selbst der rechte Tory-Flügel ist unzufrieden. Der ehemalige Thatcher-Berater Alan Walters widersprach Lamout, der behauptet hatte, das Budget werde nach 21 Monaten Rezession zum Aufschwung führen.

Die Londoner Börse reagierte ebenfalls skeptisch. Das Pfund Sterling fiel gestern um einen halben Pfennig auf 2,8675 DM. Der Wirtschaftsexperte Kevin Gardiner sagte: „Die Neuverschuldung ist erheblich höher als erwartet, und wir haben dafür keine nennenswerte Steuerermäßigung bekommen.“

Für die Torys hängt alles von den Meinungsumfragen am Wochenende ab. Sollten die WählerInnen wider Erwarten positiv auf den Haushaltsplan reagieren, könnte auch die Börse Vertrauen fassen und das Pfund sich festigen. Nur dann könnten die Torys den Zinssatz senken, was von den — dank weit verbreitetem Hausbesitz — verschuldeten BritInnen möglicherweise an der Wahlurne honoriert wird. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß das Kopf-an- Kopf-Rennen zwischen Konservativen und Labour bis zum 9.April weitergeht.