RAF-Hizbollah-Connection in Urugay

Annegret Klump fälschlich der Beteiligung am Anschlag gegen israelische Botschaft in Buenos Aires bezichtigt/ Schwester von Andrea Klump büffelte in Südamerika nur spanische Vokabeln und diskutierte mit Tupamaros  ■ Aus Montevideo Gaby Weber

Am Samstag morgen um zehn Uhr stand die 31jährige Frankfurterin, begleitet von ihrer Anwältin und der taz, vor dem „Bunker“, der deutschen Vertretung in Urugay, und forderte ein „dringendes Gespräch“ mit dem Botschafter. Normalerweise hätte der Wachmann die Bittstellerin mit dem Vers — „Bürozeiten von 9 bis 11.30“ — abgewiesen, doch ihr Name wirkte Wunder: „Annegret Klump“. Die Pforte summte auf.

Die Schwester der wegen mehrerer RAF-Anschläge gesuchten Andrea Klump war am Vortag von der regierungsnahen Tageszeitung 'El Pais‘ zum Abschuß freigegeben worden: „Deutsche Terroristin in Uruguay, sie könnte am dem Massaker von Buenos Aires beteiligt sein“, hieß es auf dem Titelblatt. Danach soll sich Annegret Klump mit ihrer Schwester in der uruguayischen Hauptstadt getroffen haben, gemeinsam nach Argentinien gereist sein und dort als Sprengmeisterin dem Hizbollah-Kommando „Dschihad Islami“ beim Attentat auf die israelische Botschaft geholfen haben. Als Quelle verwies das Blatt auf nicht genannte Kreise aus den Geheimdiensten Mossad und CIA, die in Argentinien ermitteln. In Deutschland ging die Ente bei den privaten Fernsehstationen in den Äther.

Der Sprengstoffanschlag vom vergangenen Dienstag hat bisher 29 Todesopfer gefordert. Am Samstag wurden nach Berichten des argentinischen Fernsehens 5 tatverdächtige Araber festgenommen. Am Donnerstag waren drei orthodoxe Juden, die in der Nähe der Botschaft leben, vorübergehend verhaftet worden, weil Nachbarn sie angezeigt hatten. Der israelische Außenminister David Levy schwor öffentlich „Rache“ für den Anschlag. Seit der Veröffentlichung in 'El Pais‘bangt Annegret Klump um ihr Leben.

Es liege nichts gegen sie vor, versicherte der deutsche Botschafter der angeblich mit internationalem Haftbefehl Gesuchten und versprach, sich umgehend beim Innenministerium für ihre Sicherheit einzusetzen. Als Klumps Anwältin eine Stunde später im Polizeipräsidium erschien, erwarteten sie bereits der Polizeipräsident, der Leiter des Geheimdienstes und der Interpolchef. „Nie zuvor bin ich dort so zuvorkommend und höflich behandelt worden“, wunderte sich die Juristin. Man habe mit der Falschmeldung absolut nichts zu tun, stehe für jede Richtigstellung zur Verfügung und bedauere das Geschehen, versicherten ihr die Beamten und rieten der Mandantin „angesichts des politischen Klimas in dieser Situation“ von dem geplanten Ausflug nach Buenos Aires dringend ab.

Eigentlich hatte Frau Klump drei Wochen lang in Montevideo die Schulbank drücken wollen, als Teilnehmerin des ersten Sprachkurses einer Berliner autonomen Gruppe. „Spanischkurs in Uruguay mit politischem Programm in Zusammenarbeit mit den MLN-Tupamaros“ — versprach das Projekt.

Annegret Klump hat sich jahrelang in der Angehörigengruppe für bessere Haftbedingungen der politischen Gefangenen eingesetzt. Sie weiß, daß sie als Schwester eines gesuchten RAF-Mitgliedes der beobachtenden Fahnung unterliegt. Daß sich Annegret in Uruguay mit der Gesuchten treffen würde, nahm noch nicht einmal das Wiesbadener Amt an, es verzichtete, einen eigenen Beamten mit auf die Reise zu schicken. Sechs Tage nach dem Abflug bat es die uruguayischen Kollegen per Fax, ein Auge auf sie zu werfen.

Die Polizei in Montevideo vergrub das BKA- Ersuchen unter einem großen Haufen Papier und unternahm nichts. „Gegen sie lag ja kein Haftbefehl vor“, begründet der Innenminister später. Hektik kam erst auf, als die israelische Botschaft in die Luft flog. Umgehend informierte die uruguayische Polizei ihre argentinischen Kollegen über den deutschen Hinweis und überprüfte die Grenzen. Dabei stellten sie fest, daß Annegret Klump leibhaftig mit dem Iberia-Flug 329 eingereist war. Dies wiederum war Pech für zwei andere deutsche Touristinnen, die im selben Flugzeug gesessen hatten. Als sie mit dem Omnibus — auf den Sitzplätzen 38 und 39, wie 'El Pais‘ haarscharf recherchierte — nach Buenos Aires fahren wollten, wurden sie an der Grenze verhaftet, der Verwicklung in den blutigen Anschlag beschuldigt und konnten erst nach langwierigen Ermittlungen beweisen, daß sie weder etwas mit Politik im allgemeinen noch mit dem Attentat zu tun haben.

Unklar ist, wie die angebliche RAF-Connection in das Blatt gelangt ist. Wahrscheinlich streiten sich die Sicherheitsbehörden untereinander. So war am Tag der 'El Pais‘-Veröffentlichung im argentinischen „Radio America“ ein gewisser Nelson Rodriguez, Geheimdienstbeamter des uruguayischen Innenministeriums, vors Mikrophon getreten und hatte zur Mithilfe bei der Fahndung nach den Schwestern aufgefordert. Wenige Stunden später dementierte der Pressesprecher des Ministeriums, Hinweise auf die Anwesenheit der Gesuchten besitze man nicht, und im Übrigen gäbe es in seinem Haus keinen Beamten mit dem Namen Rodriguez.

„Die Geschichte war ein Ablenkungsmanöver der Gegenspionage“, vermutet die oppositionelle Tageszeitung „Pagina 12“. Die erste Spurensicherung hatte eine gewaltige Explosion im Inneren der Botschaft ausgemacht. Später hatte die Polizei auf dem Bürgersteig einen Krater entdeckt und erklärt, eine Autobombe habe die Botschaft zerstört. Doch es ist zweifelhaft, ob eine Bombe im Kofferraum eines Autos das Gebäude derartig hätte in Schutt und Asche legen können, selbst wenn sie sich, wie es jetzt heißt, in einer Gasflasche befand, um in eine Richtung zu explodieren. In diesem Fall hätte es zumindest einen Einschußkanal geben müssen. Schlüssiger erscheint die Theorie, wonach eine Autobombe mit relativ geringer Sprengkraft innerhalb des Gebäudes gelagertes Sprengmaterial gezündet hat. Sollte sich diese Version bewahrheiten, stellt sich die Frage, zu welchem Zweck die diplomatischen Auslandsvertretungen Israels Arsenale für einen mittleren Feldzug bereithalten. Doch darüber wird angesichts der „heißen RAF-Spur“ nicht diskutiert.