Im Fluchtgepäck die Sprache

Zwei von ihnen leben — wieder — in Berlin. Beide sind sie am Anfang des 20. Jahrhunderts geboren, beide verschlug es in den zwanziger Jahren in die damalige Weltstadt Berlin, wo die eine von der Karriere einer Schauspielerin träumte, die andere bereits als Malerin arbeiten konnte und erfolgreich Theaterstücke zu schreiben begann. Das sind nicht die einzigen Gemeinsamkeiten von Hilde Rubinstein und Hedda Zinner, deren Lebenswege durch die Ermächtigung Hitlers zum Diktator im Jahr 1933 gebrochen wurden. Beide waren KPD-Mitglieder, Hilde Rubinstein wurde verhaftet und verurteilt. Später flüchteten beide mittellos aus Deutschland, Hilde Rubinstein nach Schweden, die andere in die Sowjetunion. Was Exil für beide bedeutete, ist in ihre Texte eingeschrieben, Texte, die jahrelang für die Schublade geschrieben wurden und zum Teil erst jetzt, vierzig bis fünfzig Jahre nach ihrer Niederschrift, durch Claudia Schoppmanns Anthologie von Exiltexten emigrierter Schriftstellerinnen Im Fluchtgepäck die Sprache dorthin gelangen, wo sie eigentlich hin sollten: an die Öffentlichkeit. Neben bisher unveröffentlichten, in der Sowjetunion verfaßten Rundfunktexten Hedda Zinners, die heute in Ost-Berlin lebt und, im Gegensatz zu Hilde Rubinstein, nach 1945 schnell bekannt und von der DDR mit Preisen ausgezeichnet wurde, enthält das Lesebuch Claudia Schoppmanns bisher unveröffentlichte Briefe Christa Winsloes (berühmt geworden durch den verfilmten Roman Mädchen in Uniform), Exiltexte von Erika Mann, den Romananfang des bisher unübersetzten, 1944 in den USA erschienenen Exilromans Sixty to go der absolut wiederzuentdeckenden und — mit Verlaub — wunderschönen Ruth Landshoff-York (siehe Foto). Gabriele Mittag

Claudia Schoppermann liest heute, 16 Uhr, im FFBIZ (Frauenbildungs- und Informationszentrum), Danckelmannstraße 15.