Der Rat zu Rad

■ Jedes Frühjahr haben Fahrradhändler Hochkonjunktur. Wer sich sicht ein beliebiges Fahrrad aufschwatzen lassen will, sollte den Ratschlägen des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs ein offenes Orh schenken

Jedes Jahr im Frühjahr haben Fahrradhändler Hochkonjunktur. Wer sich nicht ein beliebiges Fahrrad aufschwatzen lassen will, sollte den Ratschlägen des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs ein offenes Ohr schenken.

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othar hat sich nun endlich zum Fahrradkauf durchgerungen. Viele seiner Freunde fahren inzwischen täglich mit dem Rad zur Arbeit und machen fachmännische Ratschläge. „Wenn dir im Laden schon jemand ein Fahrrad aufschwatzen will, bevor du überhaupt deine Anforderungen loswerden kannst, bist du garantiert im falschen Geschäft“, beschwört Freund Heiner. Tatsächlich sollte sich jedeR KäuferIn zuerst darüber klarwerden, wofür das Fahrrad gut sein soll: für wenige Kurzausflüge im Sommer, für den Kindertransport, für größere Einkäufe in der Nähe, für die tägliche Fahrt zur Arbeit, für sportliche Fahrten auf Straßen oder im Gelände.

Lothar hat einen Fahrradhändler gefunden, der bereit ist, Teile des Rades auszutauschen, damit er seinen eigenen Wünschen recht nahe kommt. Der Händler rät ihm, beim nächsten Kauf ruhig schon in den Herbst- und Wintermonaten zu kommen, weil er dann noch besser Sonderwünsche erfüllen könne. Jetzt im Frühjahr bleibe wegen des Andrangs nur wenig Zeit.

Bisher hat Lothar immer geglaubt, ein 28er Rad sei genau das Richtige für ihn. Aber darauf kommt es gar nicht an, erklärt der Händler. Entscheidend ist die Rahmenhöhe, das heißt der Abstand zwischen Sitzrohr-Oberkante und der Tretlager- Mitte. Sie richtet sich nach der Innenbeinlänge des Fahrers (ohne Schuhe gemessen). Regel: Innenbeinlänge minus 25 Zentimeter ergibt die optimale Rahmenhöhe. Eine Abweichung von plus/minus zwei Zentimetern kann toleriert werden. Nur sehr große und sehr kleine Leute werden auf bestimmte Laufraddurchmesser angewiesen sein, wenn die Hersteller passende Rahmenhöhen nicht anders anbieten.

Schwere Entscheidung: Wieviel darf's wiegen?

Lothar muß auf dem Weg zur Arbeit keine Berge oder Bäche mit dem Rad auf dem Rücken überwinden. Das Gewicht des Fahrrads spielt für ihn also keine Rolle. Die Werbung sagt, ein Fahrrad muß leicht sein — das kann aber auch Nachteile haben, sagt der ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club):

— Ob aus Aluminium oder dünnem, hochfestem Stahl: Solche Rahmen sind meist nachgiebiger und können bei schnellen Bergabfahrten zu flattern beginnen — was schon zu ernsten Unfällen geführt hat. Besonders anfällig sind Damenrahmen. Beim Herrenrahmen sorgt das obere Rohr für mehr Stabilität (aha!).

— Leichte Rahmen nehmen Mißhandlungen auch leicht übel: Schon nach kleineren Kollisionen kann der Rahmen verzogen sein.

— Weil bei besonders leichten Rahmen das Material höher beansprucht wird, müssen sie sehr sorgfältig konstruiert, hergestellt und geprüft werden; dies hat seinen Preis. Wenn der Hersteller hier spart, wird's für Radler gefährlich.

Daß die Wirkung des Gewichts oft überschätzt wird, erfährt Lothar auch vom Fahrradhändler: „Sie werden es kaum bemerken, wenn die Fuhre zwei Kilogramm leichter ist.“ Deshalb sollten die Reifen immer gut aufgepumpt, die Kette geschmiert und enganliegende Kleidung getragen werden. Ein besonders leichtes Fahrrad braucht nur derjenige, der es über Treppen tragen muß, aufs Autodach heben oder Rennen gewinnen will. „Aber zum Schnellfahren braucht man eine gute Kondition und zum Langsamfahren eine Gangschaltung“, erklärt der Händler. Sie sollte die Übersetzung so anpassen, daß der Radfahrer leicht und mit angenehmer Drehzahl treten kann, auch wenn's bergauf oder (wie üblich) gegen den Wind geht. Auch das Anfahren wird durch eine gut bedienbare Schaltung erleichtert. Wichtiger als die Zahl der Gänge sind die kleinste Entfaltung — das ist die Fahrstrecke je Kurbelumdrehung — und der Übersetzungsbereich: das Verhältnis der größten zur kleinsten Entfaltung in Prozent. Der ADFC hat folgendes herausgefunden:

— Bei mäßigen Steigungen reicht die Dreigangnabe mit einem Übersetzungsbereich von 180 Prozent.

— In den Bergen sollte der Schaltungsumfang bei 220 Prozent liegen; das bieten einfache Kettenschaltungen und eine Fünfgangnabe.

— Für höhere Ansprüche gibt es Kettenschaltungen mit bis zu 24 Gängen, die nicht alle benutzbar sind.

Vom Händler erfährt Lothar, daß Nabenschaltungen meist viele Jahre ohne Pflege ihren Dienst tun. Sie ermöglichen Vollkettenschutz: Die Kette bleibt leichtgängig und die Kleidung sauber. Kombiniert mit einer Rücktrittbremse, wird der Radfahrer auch bei Nässe nicht durch verlängerte Bremswege überrascht.

Sicher anhalten: Bremsen vorn und hinten

Wer hat keine Angst, sich beim Bremsen mit dem Rad zu überschlagen? Lothar läßt sich deshalb die Vor- und Nachteile der Bremsen ausführlich erklären. Bei manchen Felgenbremsen kann Regen für drastisch verlängerte Bremswege sorgen. Der Grund ist oft eine ungeeignete Kombination von Bremsklotz und Felgenmaterial. Deshalb sollte die Felgenflanke glatt sein, da ansonsten Wasser aus Vertiefungen immer wieder zwischen Felge und Klotz gerät. Die Folge: Das Fahrrad fährt weiter wie geschmiert.

Nabenbremsen (Trommel- oder Rücktrittbremsen) werden bei längeren Bergabfahrten recht heiß und und bremsen nicht mehr so gut. Sinnvoll ist daher ein Fahrrad mit einer Felgenbremse für Gefällestrecken und einer Nabenbremse gegen Überraschungen bei Nässe.

Bei Damenrädern mit Hinterrad- Felgenbremse werden die Seilzüge oft mit mehreren Bögen verlegt, so daß durch Reibung viel Kraft verlorengehen kann. Die Bremswirkung ist dann geringer und vor allem schlecht dosierbar. Generell kommt es auf die gute Abstimmung der gesamten Bremsanlage an und nicht allein auf die Konstruktion der Bremse. Händlertip: Wenn Sie die Hand- beziehungsweise Fußkraft etwas verringern, soll auch die Bremswirkung nachlassen.

Lothar will auf keinen Fall auf die Bremse am Vorderrad verzichten, denn deren Wirkung kann eine Hinterradbremse aus physikalischen Gründen nie erreichen. „Das kräftige Bremsen muß man aber vorsichtig und systematisch trainieren“, empfiehlt der Händler. So könne man auch in gefährlichen Situationen das Fahrrad sicher beherrschen.

Richtige Beleuchtung: Das finsterste Kapitel

Bei der Auswahl der Fahrradbeleuchtung sieht Lothar keine Probleme. Vorgeschrieben sind sowieso Dynamo, Scheinwerfer und Rücklicht. Dazu vorn ein weißer und hinten zwei rote Reflektoren, von denen einer mit dem Rücklicht kombiniert sein darf. Außerdem gelbe Reflektoren an den Pedalen und in den Speichen, ersatzweise weiße Reflexstreifen an den Reifen.

Diese Teile müssen mit einem amtlichen Prüfzeichen versehen sein. Wenn es fehlt, droht dem Radler nach einem Unfall die Zuweisung von Mitschuld. Rote Speichenreflektoren sind aber nicht ganz ungefährlich. Lothar erinnert sich an einen Fahrradunfall, bei dem sich ein Reflektor löste und Bruchstücke das Vorderrad blockierten. Der Fahrer hat sich beim Sturz den Arm gebrochen.

Bevor Lothar sich endgültig zum Radkauf entscheidet, bietet ihm der Händler noch eine Probefahrt an. „Das mußt du unbedingt machen“, hat ihm Freund Heiner geraten, „und achte darauf, daß Lenker und Sattel richtig auf deine Größe eingestellt werden.“ ADFC/baep

Wer wissen will, was noch alles beim Fahrradkauf zu beachten ist, wende sich an den ADFC, Postfach 19 77 47, 2800 Bremen 1.

Außerdem möchten wir auch noch auf den ausführlichen ADFC-Ratgeber Fahrradkauf — Technik, Tips und Fahrradtypen für 17,80 DM hinweisen. Er informiert umfassend über den Aufbau eines Fahrrades, über Rahmen, Antrieb, Bremsen, verschiedene Typen von Fahrradschaltungen etc. Den Abschluß bildet ein Kapitel über sinnvolles, wichtiges Zubehör.