Sesam-öffne-dich

■ Mau-Mau mit Magnetstreifen

Wer hätte es für möglich gehalten, daß Computerspielkarten Geldautomaten knacken? Wer hätte gedacht, daß eine harmlose Software über Nacht zum Alptraum des elektronischen Bankwesens würde?

Ausgangspunkt des ungeplanten Glücksspiels ist die Gelnhäuser Firma „Mau Mau Soft“ mit einem 190-DM-Produkt, das unsere kreative Intelligenz nicht gerade überfordert. Bestehend aus einer Diskette, einem Scan-Decoder und einem Satz Spielkarten mit Magnetstreifen, ermöglicht „E-Mau-Mail“ — so der etwas holprige Name — elektronisches Mau-Mau mit weit entfernten MitspielerInnen. Per Modem verbunden, erscheint auf den Monitoren das jeweils aufgedeckte Blatt neben dem geschlossenen Haufen. Dazu hält man kleine Magnetstreifenkarten in der Hand wie beim echten Spiel. Wer dran ist, steckt seine Karte in den Scan-Decoder, der die Daten an die anderen Rechner weiterleitet. Der Trick: Nach jedem Spiel werden alle Informationen auf dem Magnetstreifen gelöscht und mit einem Randomprocessor neu gemischt. Die Karte, die eben Pik Neun war, kann beim nächsten Mal Herz As sein, wobei die vernetzte Software gewährleistet, daß jede Karte nur einmal vorkommt, nur weiß niemand wo.

Dies funktioniert einwandfrei, und die es probiert haben, berichten von ausgelassenen E-Mau-Mail-Runden zwischen Berlin, Dublin, Ulm und Pforzheim. Dies allein rechtfertigt einen Kommentar in der Eurotaz, erklärt aber nicht das lauffeuerhafte Interesse an E-Mau-Mail. Es geht nämlich um mehr als Kartenglück. Denn wie sich erst vor wenigen Tagen zufällig herausstellte, verwandelt der Randomprocessor die Magnetkarte zum Sesam-öffne- dich, mit dem sich Geldautomaten spielend überlisten lassen. So unglaublich es klingen mag: In den Schlitzen von Bankautomaten erweist sich die Mau-Mau-Karte, ob Pik Neun oder Herz As, als Goldesel — und sogar ohne Geheimzahl! Warum, das konnten bis zur Stunde weder die Hersteller noch die eilig alarmierten Experten erklären. Während die Banken derzeit alles daran setzen, das Systemloch zu stopfen, zumindest aber, es geheimzuhalten, kann sich Mau Mau Soft vor Bestellungen nicht mehr retten. Die Telekom aber reagierte prompt illegal, indem sie den Geldhäusern die Anschlüsse sperrte. Wann immer der Schaden behoben sein wird, fest steht, daß einige Glückspilze von sich sagen können: „Ich wurde reich mit Mau-Mau-Spielen!“. Micky Remann