Stasi-Gefängnis wird zur Gedenkstätte

■ Im früheren Stasi-Knast in Hohenschönhausen soll eine »Gedenkstätte für die Opfer des Stalinismus« entstehen/ Senat und Bezirk wollen verhandeln

Hohenschönhausen. Das ehemalige Stasi-Gefängnis in Hohenschönhausen soll nach dem Willen der Senatsverwaltung für Kultur zu einer zentralen deutschen »Gedenkstätte für die Opfer des Stalinismus« werden. Wie der für die Gedenkstätten Berlins zuständige Referatsleiter Richard Dahlheim sagte, wolle die Kulturverwaltung an dem »deprimierenden Ort« eine »angemessene Erinnerung an das Leid der Opfer« ermöglichen. Dazu müsse nun Kontakt zu den fünf neuen Ländern und dem Bund aufgenommen werden. Auch in Hohenschönhausen selbst scheint der politische Wille dafür zu bestehen. Am Dienstag beauftragte das Bezirksamt Kulturstadtrat Rainer Hartmann (Bündnis 90), mit dem Senat in Beratungen über eine Gedenkstätte zu treten.

Das seit 1990 leerstehende Gefängnis in der Genslerstraße war 1945 von den Sowjets als Sonderinternierungslager erbaut worden. Menschenverachtendes Herzstück der Anlage war das sogenannte »U-Boot«: mehrere Dutzend unterirdisch angelegte Zellen minimalen Ausmaßes, die weder gelüftet noch geheizt wurden. Dafür wiesen einige der Zellen Betonwannen auf, die geflutet werden konnten. Obwohl die »Wissenslage erbärmlich schlecht« sei, so Richard Dahlheim, gehe man nach Berichten ehemaliger Häftlinge davon aus, daß bis zu 3.000 Menschen in dem NKWD-Gefängnis den Tod gefunden haben.

Die Stasi übernahm das Gefängnis Anfang der sechziger Jahre und baute drei weitere Gebäude an. Im U-Boot sperrte sie offenbar weiterhin Häftlinge ein; allerdings gebe es keine Hinweise darauf, daß die Zellen zu Stasi-Zeiten unter Wasser gesetzt wurden, sagte Dahlheim. Im November 1990 legte die Justiz den grausam geschichtsträchtigen Ort still, nachdem einige Zeit an die Nutzung für den »offenen Vollzug und Freigänger« gedacht war.

Im Bezirk und in der Landesregierung besteht im Prinzip Einigkeit über eine »historische« Nutzung, doch die Hohenschönhausener setzen andere Akzente. In dem auch »Stasi-City« genannten Stadtteil will man »sich der Geschichte stellen«, wie Pressesprecher Höhne sagt. Kulturstadtrat Rainer Hartmann möchte eine »Gedenkstätte wider den Mißbrauch staatlicher Gewalt«. Gleich neben dem Gefängnis — auf dem jetzigen Industriegelände hinter dem Bezirksamt — liegen möglicherweise noch Opfer eines Hitlerschen Arbeitslagers. Eine »Stalinismus- Gedenkstätte« greife also zu kurz. »Wir haben hier eine kleine Chance«, sagte Hartmann, »45er Erfahrungen zu vermeiden: nämlich Geschichte ungeschehen zu machen«.

Eine weitere Initiative der Hohenschönhausener (parteilosen) Gesundheitsstadträtin Brunhild Dathe relativierte gestern der Präsident der Berliner Ärztekammer Ellis Huber. Ehemalige Gefängnisinsassen und Opfer meist psychischer Folter sollten nicht im Gefängnis behandelt werden. Von dort könne aber, so Huber weiter, die »gesellschaftliche Bewegung« gegen staatliche Gewalt ausgehen: die Selbstorganisation von Inhaftierten. Die Bildung solcher Selbsthilfegruppen will Brunhild Dathe unterstützen. Auch die Gedenkstätte selbst solle staatsfern organisiert sein, etwa als Stiftung oder Verein, empfahl Dahlheim.

Wie in Berlin derzeit üblich, sind zwei Hürden zu nehmen, ehe im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen »angemessenes Erinnern und Gedenken« möglich sein soll: die Kostenfrage und ein Restitutionsanspruch zwar nicht auf den Knast, so doch auf das Gelände. Christian Füller

Wer den »deprimierenden Ort« einschließlich des berüchtigten U-Boots besichtigen will, kann dies am 9. Mai tun. Ab neun Uhr lädt der Bezirk zu einem Tag der offenen Tür ein. Am Abend davor diskutiert das Bündnis 90 in der Anna-Seghers-Bibliothek mit Bärbel Bohley und Walter Janka über die Frage: »Wie weiter mit der Haftanstalt?«