Miese Laune nach glanzlosem Sieg

■ Das 2:0 gegen Dresden steigert kaum die Stimmung bei Werder

Jürgen Rollmann ist der Pechvogel des Wochenendes: Nach dem Spiel gegen Dynamo Dresden krempelte er sein rechtes Hosenbein hoch und gab den Blick frei auf eine monströse medizinische Apparatur, bestehend aus Verbänden, Beuteln, Schläuchen. „Da wird das Blut abgeleitet“, sagt der Keeper, „morgen werden wir sehen, wie es weitergeht.“

So dicht liegen Glück und Unglück beieinander: Die letzten zwei Wochen durfte sich Rollmann als ausgesprochener Glückspilz fühlen. Nachdem er im Brügger Europacup-Spiel für den an der Schulter lädierten Stammtorwart Reck zwischen die Pfosten gerückt war, hatte er in allen Spielen tadelsfrei gehalten. Das Torwartproblem bei Werder schien sich mit Rollmann intern und elegant gelöst zu haben — bis zur 53. Minute der Partie gegen Dresden. Da ritzte Dynamo-Stürmer Uwe Rösler dem mutig herausgestürzten Bremer Kastenwart „so'n richtigen Keil“(Rollmann) ins rechte Knie, bestimmt zehn Zentimeter lang, Reck kam zum unerwarteten Comeback.

Wenigstens ein Gutes hatte die fatale Aktion für Werder: Sie vereitelte, so Dresdens Trainer Helmut Schulte, „eine zehntausendprozentige Chance“ und war damit „eine der zwei spielentscheidenden Szenen“ (Schulte). Die andere hatte sich in der 42. Minute zugetragen. Da war Dynamo- Verteidiger Maucksch am eigenen Strafraum über den Ball gestolpert, hatte Bockenfeld das Leder zurückgepasst und Bode zum 1:0 getroffen.

Bis dahin waren die vom Abstiegsteufel geplagten Ostdeutschen das bessere von zwei schwachen Teams gewesen. Angeführt von Regisseur Hans-Uwe Pilz spielten sie munter auf, das lockige Sturmduo Torsten Gütschow/Uwe Jähnig nahm wiederholt Werders Gehäuse ins Visier. In der 18. Minute hatte Jähnig, jüngst in die Olympia-Auswahl berufen, den Dresdener Führungstreffer auf dem Schuh — doch zielte er zwei Meter vorbei wie darüber. Der Rest war Schweigen, die oft vorgeführte Partie „Not gegen Elend“ wurde im Weser-Stadion neu aufgelegt.

In der zweiten Hälfte blieb das Geschehen belanglos, die Sturmleistung der Grün-Weißen war schlechterdings eine Katastrophe. Klaus Allofs hat derzeit genauso mit einer hartnäckigen Torschußpanik zu kämpfen wie sein Sturmpartner Wynton Rufer, der darüberhinaus ein ständiger Garant für Dresdener Ballbesitz war. Zuschauers Stimme forderte 7000fach die Auswechslung des matten Neuseeländers, doch Coach Rehhagel beließ ihn trotzig auf dem Grün.

Da brachten die Gäste vorne schon mehr zuwege — Gütschow traf den Außenpfosten, Verteidiger Melzig köpfelte knapp vorbei. In Dresdens Defensive klappte dagegen überhaupt nichts: Irgendwie gelangte die Kugel in der 82. Minute zu Dieter Eilts, der betrat unter passiver Anteilnahme seiner Kontrahenten den Strafraum und sah sich plötzlich nur noch Dynamos Schlußmann Rene Müller gegenüber. Als sich jener unverständlicherweise in die lange Ecke zurückzog, „hab ich den Ball halt ins kurze Eck geschoben“(Eilts).

Ein 2:O, das die Chancen im Kampf um die Uefa-Cup-Qualifikation nicht sonderlich erhöht hat. Mitkonkurrent Kaiserslautern ist noch immer drei Punkte voraus, Mitkonkurrent Köln hat in Duisburg gewonnen. Werder bleibt auf Platz 8. Entsprechend gedrückt war die Stimmung nach dem Match. Vizepräsident Fischer teilte sauertöpfisch mit, daß künftig im Stadion keine Zuschauerzahlen mehr verkündet werden: „Ihr Journalisten rundet das doch sowieso immer bis ins Lächerliche ab!“ Manager Lemke schimpfte auf die Zuschauer, die sich erdreistet hatten, den eingewechselten Reck auszupfeifen: „Unsportlich, unfair, gegenüber Olli eine absolute Sauerei!“ Und Dieter Eilts faltete einen Boulevard-Schreiber zusammen, der ihm in großen Lettern die Schuld am Pokaldesaster in Hannover gegeben und ihn darüberhinaus noch falsch zitiert hatte: „Totaler Müll, den Sie da geschrieben haben.“

Herzlichkeiten überall — der Mißerfolg macht dünnhäutig. Holger Gertz