■ TAZ INTERN
: Chefinsache

Die Chefredaktion der taz verwandelt sich demnächst in eine ChefInredaktion. Die Literaturredakteurin Elke Schmitter wird aus dem vierten Stock der Kochstraße 18 in den ersten hinabsteigen, um die Chefredaktion zu komplettieren.

Ich hatte am 13. März dem Vorstand des Vereins der Freunde der alternativen Tageszeitung vorgeschlagen, Elke Schmitter als zweite Chefredakteurin zu berufen. Der Vorstand folgte diesem Vorschlag, und die Kandidatin hatte sich den Fragen einer Redaktionsversammlung zu stellen. Nur sechs von 75 Redaktionsmitgliedern votierten danach in einer dem taz-Redaktionsstatut entsprechenden geheimen Abstimmung gegen sie. Sobald der Vorstand der Genossenschaft, deren Mitglied Elke Schmitter ist, neu gewählt und eine Nachfolgerin in der Kulturredaktion für sie gefunden ist, wird sie sich ihrer neuen Aufgabe voll und ganz widmen.

Elke Schmitter ist 31 Jahre alt, aus ihrem Vortazleben ist Widersprüchliches bekannt. Sie veröffentlichte einen tragischerweise vergriffenen Lyrikband mit dem Titel Windschatten im Konjunktiv, studierte anschließend Philosophie in München und verdiente sich nach dessen Abschluß einen kärglichen Lebensunterhalt in Anchorage, Alaska, mit dem Streichen von Holzveranden und anderen nützlichen Tätigkeiten. Im Oktober 1989 wechselte sie vom Lektorat des S. Fischer Verlags in Frankfurt in das Kulturressort der taz nach Berlin. Hier war sie zunächst für Theater und ab Sommer 1990 für Literatur verantwortlich.

In der großen taz-Krise des vergangenen Jahres stellte sie schließlich als Mitglied des Vorstandes ihre integrativen und administrativen Fähigkeiten unter Beweis. Angesichts dessen, daß sich Chefredaktionen gewöhnlich aus den politischen Ressorts rekrutieren, mag die Wahl ungewöhnlich erscheinen. Für uns ist sie es nicht, denn das herrschende Primat der Politik und den traditionellen Begriff des Politischen in Frage, immer wieder in Frage zu stellen, war und ist Anspruch der taz. Elke Schmitter hat bereits angedroht, auch vermeintlich unpolitisch Kulturellem zu mehr Prominenz zu verhelfen.

Nachdem sich die Geschäftsführung jüngst zu einem Trio formiert hat, steht ihr bald auch ein dreiköpfiger Counterpart gegenüber. Jürgen Gottschlich wird als stellvertretender Chefredakteur nicht nur in bewährter Manier die Nachrichtenredaktion verstärken, sondern auch seine Erfahrungen aus 13 Jahren taz in die Entwicklung des Reformkonzepts für diese Zeitung einbringen. Es geht voran. Michael Sontheimer