„In Bremen wird sich nichts ändern“

■ Breite Bremer Zustimmung zum neuen §218 / Aber Kritik an der Zwangsberatung

In Bremen läuteten weder gestern während der Bundestagsdebatte zur Neuregelung des §218 die Glocken wie im Erzbistum Fulda, noch löste das Abstimmungsergebnis heute einen Freudentaumel aus: In den Reihen der Bremer SPD, FDP und Grünen wurde das Votum für die Fristenregelung mit Beratungszwang mehr oder weniger erleichtert zur Kenntnis genommen. Einhelliger Tenor: Das derzeitig politisch Machbare ist erreicht, mehr war nicht drin.

Die Zwangsberatung stand am heftigsten im Kreuzfeuer der Kritik. „Die Frauen sind nur teilweise mündiger gesprochen worden — der Zwang läßt sie voreingenommen zu uns kommen“, findet Dr. Gisela Bulling, die für das Gesundheitsamt in Bremen- Nord die Beratung im Falle einer Abtreibung durchführt. „Wir hoffen, daß sich in Bremen an der Beratungssituation nichts verändern wird“, sagt Hanna Staud-Hupke, Landesgeschäftsführerin von Pro- Familia. Mißtrauisch sieht sie der Auslegung des Beratungsgesetzes — mit der Formulierung, diese solle mit dem vorrangigen Ziel des Lebensschutzes stattfinden — allerdings in CDU-regierten Ländern entgegen: „Geht es um den Lebensschutz der Mutter oder den des Kindes? Wir ärgern uns darüber, daß der Abtreibungsparagraph weiterhin im Strafgesetzbuch verankert ist. Aber was die Beratung angeht, hoffen wir, daß hier die Frauen nach wie vor ihre Konflikte in den Mittelpunkt werden stellen können.“

Zustimmung kam auch von der Landesbeauftragten der Bremischen Evangelischen Kirche für den §218, Angelika Dornhöfer: „Die Frauen kommen endlich raus aus ihrer unwürdigen Situation, und dieses Gesetz umschreibt sehr sensibel die Konflikte von Frauen.“ Ganz und gar nicht damit einverstanden ist hingegen Pastor i.R. Heinrich Kemner vom „Geistigen Rüstzentrum Krelingen“, der eine von der CSU angekündigte Verfassungsklage befürwortete: Die evangelische Kirche habe es wieder mal versäumt, Flagge zu zeigen.

Einer der 526 Männer, die über die Abtreibung in Deutschland zu entscheiden hatten, war der Bremer Bundestagsabgeordnete und langjährige Bürgermeister Hans Koschnick — und der enthielt sich der Stimme: „Solange nur am §218 herumgebastelt wird, halte ich das alles für ein Alibi. Die Frau sollte zwar selbst bestimmen können — wer einer Frau zutraut, ein Kind großzuziehen, muß ihr auch zutrauen, eine solche Entscheidung zu treffen —, aber die Ansätze zur Verbesserung der allgemeinen Situation von Frauen reichen mir beim Gruppenantrag für die Fristenregelung nicht aus. Hätte ich dem zugestimmt, hätte ich meine seit zehn Jahren vertretene Position aufgeben müssen — und da bin ich ein sturer Bock.“ skai