GASTKOMMENTARE
: Kompletter Wahnsinn

■ Militärische Einsätze im ehemaligen Jugoslawien sind unverantwortlich

Es gibt eine einzige Organisation, die einen eingespielten Mechanismus, politisch und militärisch, für friedenssichernde Aktionen hat: die Vereinten Nationen mit ihren Blauhelmen. Sie werden als Waffenstillstands-Garantie eingesetzt, wenn die streitenden Parteien zustimmen. Kampfeinsätze, um den Frieden mit Gewalt zu erzwingen, sind nicht vorgesehen. Auch nicht in Jugoslawien.

Die Nato will auch nicht. Die WEU darf nicht: Sie funktioniert nur im Falle eines Angriffs gegen das Territorium eines ihrer Mitglieder. Entgegenlautende Erklärungen vom Petersberg sind Vertragsbruch. Die Amerikaner wollen sich nicht an militärischen Aktionen am Boden beteiligen, die Engländer auch nicht. Woher also sollen die 50.000 Mann kommen, die allein notwendig wären, um die Bergketten rings um Sarajevo zu erobern?

Übrigens: Hinter diesen Bergen gibt es weitere, das hat schon die deutsche Wehrmacht erfahren. Es ist also kompletter Wahnsinn, von militärischen Einsätzen in Jugoslawien zu reden, unverantwortlich besonders aus deutschem Munde, denn wir würden uns jedenfalls auch nicht beteiligen. Seltsame Helden, die mit den Säbeln anderer rasseln.

Es ist bitter genug: Die schrecklichen und empörenden Metzeleien, denen nicht zuletzt Frauen und Kinder zum Opfer fallen, sind nicht durch militärische Einsätze zu beenden, die nur noch mehr Tote und Verletzte unter der Zivilbevölkerung fordern würden.

Der Einsatz der Blauhelme und französischer Soldaten auf die eigene Rechnung Frankreichs in Sarajevo ist riskant: Jeden Tag kann es, sogar als Provokation, Tote geben. Wer dieses Risiko vermeiden wollte, müßte die UNO-Aktion abbrechen. Dazu kann ich nicht raten. Aber keinesfalls dürfte die Folge eines Unglücks sein, den Opfern eines Friedensversuches die Opfer einer Intervention hinzuzufügen.

Was bleibt, ist die Summierung mehrerer, begrenzter Chancen: Die Wirkung der Sanktionen wächst mit jeder Woche; der neue Ministerpräsident sollte die Chance bekommen, Frieden von innen zu schaffen, unterstützt von den Studenten und Frauen. Es ist jedenfalls aussichtsreicher, den Kampf von innen zu beenden als durch Gewalt von außen. Egon Bahr

Leiter des „Institutes für Friedensforschung und Sicherheitspolitik“ an der Universität Hamburg und SPD-Mitglied