Das Getreideschiff kommt noch nicht

Die schwere Dürre im Süden Mosambiks macht jetzt auch Kleinbauern, die den 16jährigen Bürgerkrieg überstanden haben, zu Hungerflüchtlingen/ 10 Millionen Menschen sind in Mosambik von den Dürrefolgen bedroht — Hilfe läßt auf sich warten  ■ Aus Chimoio Willi Germund

Ein paar magere Ziegen dösen im Schatten eines Strohdachs. Drei junge Frauen, die Babies mit einem Tuch auf den Rücken gebunden, schwatzen lebhaft, während sie an einem Feuer Maisbrei kochen. Die Füße versinken bis zum Knöchel im Staub des kleinen Weilers der Familie von Armindo Simao Buapua. Die Maisstauden auf dem Feld sind verdorrt. Nur in einem kleinen Gemüsegarten halten sich ein paar Pflanzen unter der vom wolkenlosen Himmel brennenden Sonne. Lebhaft kräht Armindos elfmonatiger Sohn auf dem Rücken seiner Mutter. In drei Wochen werden sie alle hungern: der kleine Sohn, der 25jährige Armindo, seine Frau, die Eltern und vier weitere Verwandte.

„Bis dahin haben wir unsere Ersparnisse verbraucht“, sagt Armindo. „Vom Gemüse ist dann auch nichts mehr übrig.“ Seit März hat es in dem Dorf Sussendenga, 40 Kilometer westlich der Stadt Chimoio im sogenannten Beira-Korridor Mosambiks, nicht mehr geregnet. Armindo erntete nicht einen einzigen Maiskolben. Im September oder Oktober soll die nächste Aussaat beginnen. Wenn es diesmal zur richtigen Zeit regnet, gibt es frühestens im kommenden April die nächste Ernte.

30.000 Menschen leben in Sussendenga. Trotz des seit 16 Jahren dauernden Krieges der für ihre Brutalität berüchtigten rechtsgerichteten Rebellenbewegung Renamo gegen die Frelimo-Regierung in Maputo, konnten sie sich in der Vergangenheit von der Subsistenzwirtschaft ernähren. Die Rebellen ließen die Gegend weitgehend in Ruhe. Jetzt droht Armindo Simao Buapua und seiner Sippe das Schicksal von Millionen Kriegsvertriebenen in Mosambik, die seit Jahren auf ausländische Hilfslieferungen angewiesen sind. Denn die Dörfer sind nicht mehr sicher: Nachts kommen die Bandidos — Banditen — und plündern, was nicht niet- und nagelfest ist. Wer genau die „Banditen“ sind, weiß niemand in Sussendenga.

Mosambik ist unter den zehn Staaten im südlichen Afrika am schlimmsten von der diesjährigen Dürre betroffen. Zehn der 16 Millionen Einwohner sind von ihren Folgen bedroht. Unter einem weit ausladenden Baum in Sussendenga bereiten sich Mitarbeiter der Deutschen Welthungerhilfe auf die Katastrophe vor Ort vor: Sie registrieren Familien für den Tag, an dem die ersten Hilfslieferungen verteilt werden.

Gegenwärtig erhalten die Kleinbauern monatlich 20Kilo Mais pro Familie von einem Hilfswerk der Regierung, gerade genug für eine Woche. Mosambiks ohnehin gesenkte monatliche Ration pro Person: 10,5Kilo Mais, 1,2Kilo Bohnen, 300Gramm Speiseöl und 150Gramm Salz. Drei Millionen Menschen, so Schätzungen vom Welternährungsprogramm der UNO, brauchen in der von der Trockenheit betroffenen südlichen Hälfte Mosambiks wegen der Dürre dringend Unterstützung — sonst, so die UN-Studie, sind „zahlreiche Tote durch Verhungern“ unvermeidlich.

Bisher fließt die Hilfe nur tropfenweise. Die Straßen zu manchen Dörfern sind wegen des Krieges schon seit Jahren abgeschnitten. Nahrungsmittelhilfe per Luft aber ist zu teuer. Das Internationale Rote Kreuz appelliert deswegen bereits seit Monaten an die Renamo, Hilfskonvois auf dem Landweg passieren zu lassen. Alfonso Dhlakama, Vorsitzender der Rebellenorganisation, machte zwar kürzlich bei einem Besuch in Paris eine entsprechende Zusage, eine offizielle Mitteilung an die UNO oder das Rote Kreuz blieb aber bislang aus.

In dem Dorf Nhamatanda, an der Straße des Beira-Korridors, hat sich seit Anfang des Jahres die Zahl der Flüchtlinge auf 36.000 verdreifacht. Die Straße von der Hafenstadt Beira über Chimoio landeinwärts nach Simbabwe gilt in einem sechs Kilometer breiten Streifen als sicher. Die Renamo hatte sich vor zwei Jahren verpflichtet, den Korridor nicht anzugreifen, und Truppen aus dem Nachbarland Simbabwe bewachen den Verkehrsweg. „Die Leute kommen in den Beira-Korridor“, erklärt Inka van Bergen von der Welthungerhilfe, „weil sie hoffen, hier zumindest eine Minimalversorgung zu erhalten.“

Der 27jährige Boase Ferias Chamuene kam vor wenigen Wochen in dem erst seit Februar bestehenden Lager Gorongosa an und baut noch an der niedrigen runden Lehmhütte mit Strohdach, die für die kommenden Jahre wohl als Unterkunft für ihn und seine vierköpfige Familie dienen wird. Im Juni wütete eine Cholera- Epidemie unter den 4.000 Bewohnern. Aber Boase Ferias zieht dies der permanenten Angst in seinem Heimatdorf vor. „Dauernd muß man sich verstecken“, klagt er, „und dann immer das Geschützfeuer.“

Nur hundert Meter entfernt donnern täglich Dutzende von schwerbeladenen Lastwagen vorbei: Sie bringen Mais in das ebenfalls unter der Trockenheit leidende Nachbarland Simbabwe. Panzerwagen der simbabwischen Streitkräfte begleiten die Konvois von der Hafenstadt Beira bis an die Grenze — weniger zum Schutz gegen die Renamo als gegen hungrige Mosambikaner.

Simbabwe besitzt Devisen und kann Mais selbst einkaufen. Mosambik dagegen ist auf ausländische Hilfe angewiesen. Wann die Verteilung durch die Welthungerhilfe im Beira-Korridor beginnen wird, ist unklar. Insgesamt 6.000 bis 7.000 Tonnen sollen bis zur nächsten Ernte im kommenden Jahr in Sussendenga und Nhamatanda verteilt werden. Das deutsche Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und die EG erteilten der Hilfsorganisation eine mündliche Zusage, daß die Mittel im August oder September bereitstehen würden. Inka van Bergen schickte ihren Antrag schon im Februar an die Bonner Zentrale der Welthungerhilfe.

Doch auch nach der Beendigung des monatelangen Marschs durch die Bürokratie dürfte es noch Wochen dauern, bis die dringend erwartete Hilfe in Mosambik ankommt. Denn der benötigte Mais kann nicht mehr wie bisher in afrikanischen Nachbarländern eingekauft werden, da diese jetzt ebenfalls unter der Trockenheit leiden. Der Nachschub muß per Schiff aus Europa, den USA oder Argentinien herangeschafft werden. Armindo Simaos Buapuas kleiner Sohn wird bis dahin einen vom Hunger geschwollenen Bauch haben — falls er noch lebt.