Westberliner auf Stasiliste

■ Unter den 5.000 IM der Stasi in Halle befanden sich angeblich auch Senatsmitarbeiter

Berlin. Ausgerechnet unter dem Decknamen »Senat« soll ein Mitarbeiter des Senats in den Jahren 1986 bis 1989 für das Ministerium für Staatssicherheit tätig gewesen sein. Seine Aufgabe war die »Aufklärung im Bereich Übersiedler im Operationsgebiet Westberlin (Senat)«. Ein IMB (so das Stasi-Kürzel für Inoffizielle Mitarbeiter mit Kontakt zu mutmaßlichen DDR-Gegnern) mit Decknamen »Fritz« soll sich neben seiner Tätigkeit bei der Sportverwaltung der Aufklärung einer Grenzübergangsstelle gewidmet haben.

Beiden gemeinsam ist, daß sie für die Bezirksverwaltung Halle des MfS tätig gewesen sind und von daher auf einer Liste von insgesamt 5.000 Stasi-Mitarbeitern stehen, die jüngst den politisch Verantwortlichen in Sachsen-Anhalt von anonymer Seite zugespielt wurde. Dieses Papier, das der taz vorliegt, enthält neben den Deck- auch die Klarnamen, weshalb es sich nicht um eine Liste der Staatssicherheit handeln kann. Neben den Namen sind die Personenkennziffern, der Betrieb sowie die Einsatzrichtung beschrieben. Außer den beiden Senatsangestellten sind noch eine Reihe Privatpersonen aus dem ehemaligen West- Berlin in der Liste aufgeführt, die für die Stasi gespäht haben sollen.

Sollten sich die Informationen bewahrheiten, dann droht den Betroffenen ein Verfahren wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit.

Bei der zuständigen Staatsanwaltschaft beim Kammergericht ist noch kein Verfahren gegen die zwei in der Liste aufgeführten Senatsmitarbeiter eingeleitet worden. Justizsprecher Bruno Rautenberg verweist auf den Generalbundesanwalt, der in solchen Fällen zunächst die Ermittlungen führt und sie gegebenenfalls an die Ermittlungsbehörden der Länder abgibt. Wie der Sprecher der Bundesanwaltschaft, Hans-Jürgen Förster, erklärte, werde der Sache nachgegangen. Zum einen laufen seit längerem Ermittlungen gegen die Verantwortlichen der Stasi-Verwaltung Halle wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit, in deren Rahmen auch die Tätigkeit möglicher IM geprüft wird. Zum anderen werden auch die Ermittlungsmöglichkeiten des Bundeskriminalamtes ausgeschöpft. Förster wies darauf hin, daß die Liste alleine keinen Anfangsverdacht begründe, da sich auf ihr auch Personen befinden können, die lediglich geworben werden sollten.

Die West-Berliner Spitzelverdächtigen können noch geraume Zeit warten, bis die Ermittler an ihrer Haustür klingeln. Allein 1991, so Förster, habe sein Amt 1.200 neue Verfahren wegen Spionage eingeleitet, Im Regelfall, so schätzt Rautenberg, kann es ein dreiviertel Jahr dauern, bis der Betroffene vorgeladen wird. dr